Von Frauke Kaberka
FRANKFURT AM MAIN (BLK) - Traurig, komisch, schön und ein bisschen kitschig - das ist der Stoff, aus dem Hollywoodfilme sind -und „Die furchtlosen Memoiren der Sheilah Graham“. Das auf autobiografischen Angaben beruhende Buch der einst wohl bekanntesten Klatschkolumnistin Hollywoods wurde jetzt neu aufgelegt, in der Anderen Bibliothek im Eichborn Verlag. Sheilah Graham (1904-1988) erzählt ihre eigene Geschichte, der sie einen Brief voranstellt, in dem sie verspricht, erstmals die ganze Wahrheit zu sagen, über ihre Herkunft, über ihr Leben, bevor sie Sheilah Graham wurde.
Und schon versetzt die Frau, die schon immer geschickt mit dem Wort umgehen konnte, ihre Leser in die Welt des Charles Dickens: Waisenhaus, geschorene Köpfe, harte Arbeit, Hunger, Sehnsucht nach Familie, Liebe, Wärme. Es war ihre Welt, und damals hieß sie noch Lily Sheil. Wie sie es geschafft hat, dem düsteren Londoner Viertel zu entkommen, in höhere, ja höchste Kreise aufzusteigen, erzählen die ersten beiden Bücher der „Memoiren“ - in herzerfrischender, aber unglaubwürdiger Art und Weise.
Nun ja, längst ist bekannt - unter anderem durch ihre Kinder, denen sie einst die ganze Wahrheit versprach -, dass diese Episoden die Wirklichkeit lediglich tangiert haben. Aber wichtig ist das nicht. Denn die Tatsache, dass eine junge, schöne und gescheite Frau zunächst in England und später dann in den USA sich emanzipierte und - zwar unter Einsatz weiblicher Reize, aber auch mit Mut und Entschlossenheit -, zu einer Berühmtheit wurde, ist wahr, bemerkenswert und wahrhaftig nicht alltäglich.
Sheilah Graham, die in England eine ganze Palette von Karrieren versuchte und es immerhin vom Chorgirl zum kurzzeitigen Musicalstar brachte, aber auch schon als Journalistin erste Erfolge feierte, sah ihre Zukunft jenseits des Atlantiks. Mit nur 100 Dollar in der Tasche trat sie ihren Siegeszug in den Staaten an, arbeitete eine zeitlang bei renommierten Blättern in New York und landete schließlich in Hollywood. Immerhin schrieb sie dort 35 Jahre lang ihre gefürchteten Klatschkolumnen.
Doch ihre Berühmtheit ist auch auf einer anderen Tatsache begründet: Graham - und hier beginnen die „Memoiren“ glaubwürdig zu werden - war dreieinhalb Jahre die Geliebte des berühmten amerikanischen Schriftstellers F. Scott Fitzgerald („Der große Gatsby“). Den verheirateten Mann und die Journalistin verband eine obsessive Leidenschaft mit vielen Turbulenzen - ausgelöst durch die über längere Zeit andauernde berufliche Erfolglosigkeit Fitzgeralds, seinen Alkoholismus, seine permanente Geldnot und letztendlich auch die Bindung an eine nervenkranke Ehefrau, von der er sich nicht trennen konnte.
Sind die ersten beiden Bücher der “Memoiren“ die hübsche und geschönte Beschreibung eines märchenhaften Aufstiegs, so ist das dritte und letzte Buch bewegend. Bis zu seinem frühen Tod 1940 wird Graham mit Fitzgerald verbunden bleiben, Himmel und Hölle mit ihm durchleben und vor allem von ihm und seinem Wissen profitieren. Auch danach - aber das ist nicht in den „Memoiren“, sondern nur in Nachschlagewerken zu finden - sieht Graham trotz mehrfacher (und gescheiterter) Ehen den Schriftsteller als ihre große Liebe an und widmet ihm weitere Romane mit autobiografischen Tendenzen.
Wer Freude am alten Hollywood, an seinem „Golden Age“ hat und wer F. Scott Fitzgerald verehrt, dem seien „Die furchtlosen Memoiren er Sheilah Graham“ empfohlen - ein Stoff, der übrigens 1959 selbst einmal verfilmt wurde: „Die Krone des Lebens“ mit Gregory Peck und Deborah Kerr.
Literaturangabe:
GRAHAM, SHEILAH: Die furchtlosen Memoiren der Sheilah Graham. Die Andere Bibliothek im Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2009. 380 S., 32 €.
Weblink:
Die Andere Bibliothek im Eichborn Verlag