MÜNCHEN (BLK) – Im September 2009 ist der historische Roman „Die Gottessucherin“ von Peter Prange im Droemer Verlag erschienen.
Klappentext: Lissabon 1528: Die Jüdin Gracia verachtet ihren Mann, denn in ihren Augen verleugnet er seinen Glauben. Trotzdem versündigt sie sich, um ihn vor der Inquisition zu retten. Doch zu spät: Mit ihrer Tochter flieht die junge Frau durch ganz Europa. Ihr Ziel ist ein Ort, an dem sie ihren Glauben frei ausüben kann. Dafür riskiert sie ihr Leben und das Glück der Menschen, die sie liebt. Doch darf man für die Liebe zu Gott die Liebe zu den Menschen opfern?
Peter Prange, Jahrgang 1955, studierte Romanistik, Germanistik und Philosophie und promovierte anschließend über die Sittengeschichte der Aufklärung. Heute lebt er als freier Schriftsteller mit seiner Familie in Tübingen. Der Durchbruch als Romanautor gelang Prange 1999 mit der deutsch-deutschen Familiengeschichte „Das Bernstein-Amulett“, das 2004 als Zweiteiler für die ARD verfilmt wurde. (kum).
Leseprobe:
©Droemer Verlag©
Einer Feuersäule gleich, stand die Sonne am Himmel und sandte ihre Strahlen auf die Praça do Rossio herab. Von vier hohen Mauerwänden umgeben, herrschte auf dem menschenvollen, abgesperrten Platz eine Hitze wie in Nebukadnezars Feuerofen.
„Was werden sie mit uns tun?“
Philippa konnte kaum sprechen, so trocken war ihr Mund, und vor Schwäche wurde ihr immer wieder schwarz vor Augen.
„Ich weiß es nicht, mein Kind“, erwiderte ihre Mutter. Philippa zupfte am Mantel ihres Vaters. „Werden sie uns zu den Eidechsen bringen?“ Ihr Vater war der Rabbiner, er wusste alles. Aber ihr Vater hob nur die Arme. „Wir sind in der Hand des Haschem. Er wird über uns wachen. Gelobt sei sein Name!“
Es war am Tage des Pessachfestes. Alle im Reich verbliebenen Juden, zwanzigtausend an der Zahl, waren wie Schlachtvieh im Geviert der Praça do Rossio zusammengepfercht, dem größten Platz der Stadt, wo sonst Reitturniere und Zirkusspiele stattfanden. Philippa und ihre Eltern hatten in der Synagoge gebetet, als die Schergen des Königs in das Gotteshaus eingedrungen waren, gerade in dem Augenblick, als der Chasan, der Kantor, vor den Thoraschrein trat, um das Kaddisch als Schlussgebet zu sprechen. Sie waren direkt von der Synagoge zur Praça geschleppt worden, zusammen mit den übrigen Mitgliedern der Gemeinde. Drei Tage war das her. Drei Tage unter freiem Himmel, bei sengender Hitze in denselben Kleidern, drei Tage ohne einen Bissen Brot und fast ohne einen Schluck Wasser. Niemand hatte mehr die Kraft zu stehen. Die Alten und Kranken hockten an den Mauern im Schatten, die anderen lagen im Staub, schutzlos der Sonne ausgesetzt. Es stank nach Schweiß und Kot und Urin.
„Ich habe solchen Durst“, flüsterte Philippa. „Ich kann gar nicht mehr schlucken.“
Ihre Mutter strich ihr über den Kopf. „Denk an eine Zitrone und stell dir vor, wie du in sie hinein beißt.“
Während in der Nähe die Kirchenglocken von Santa Justa anschlugen, schloss Philippa die Augen. Tatsächlich, bei der Vorstellung sammelten sich ein paar Tropfen Speichel in ihrem Mund. Aber als sie ihn hinunterschluckte, spürte sie nur umso schlimmer die Leere in ihrem Magen.
©Droemer-Verlag©
Literaturangabe:
PRANGE; PETER: Die Gottessucherin. Droemer Verlag, München 2009. 768 S., 22,95 €.
Weblink: