Israel Armstrong hatte es sich so schön vorgestellt. Da hat der Bibliothekar aus Nord-London die Stellenausschreibung für sich entscheiden und die spärlich besoldete Stelle in einem Billigbuchladen aufgeben können – und steht dann vor den Türen der Bezirksbibliothek Tumdrum im nordirischen County Antrim. Besser gesagt: Er steht vor der Ankündigung, dass die Bücherei geschlossen ist.
Der Dufflecoatträger, Vegetarier und Cambridge-Absolvent (allerdings „nur“ Brooke University, dort einst die Fachhochschule), Sohn einer jüdischen Mutter und eines irischen Vaters, will sofort kehrt machen. Das Problem: Sein Leben zuhause sieht noch düstrer aus als das unbeleuchtete Bibliotheksgebäude. Hinzu kommt, dass er antriebsvermindert ist und sich im Grunde von jedem und jeder ins Bockshorn jagen lässt.
Also bleibt Israel.
Also lässt er sich dazu verdonnern, einen Bücherbus zu reaktivieren, obschon dies die niederste Schwundstufe des Bibliothekswesens ist, die die westliche Hemisphäre kennt. Zu schweigen von seiner Unterkunft bei einer Bauernfamilie, die für ihn den Hühnerstall ausgeräumt hat. Ganz zu schweigen von den merkwürdigen Menschen, mit denen er sich plötzlich konfrontiert sieht, die so unverständlich daherreden und bizarre Sitten pflegen. Und von denen er regelmäßig, zumeist irrtümlich oder ob eigener Tumbheit, verprügelt wird. Oder davon, dass er auf einem Heizkörper seine Kleider in Brand setzt.
Das wäre alles gerade noch so verschmerzbar, wenn er nicht feststellen müsste: Die Idee, die Bibliothek zu reaktivieren, wäre nicht so schlecht. Wären nur nicht die 15.000 Bände abgängig.
Und verantwortlich, zumindest de jure wegen seines Vertrages, ist – er selbst.
Also muss er sich auf die Suche nach den fehlenden Exemplaren machen. Verdächtigt mal diesen, mal jenen. Was nicht weiterführt. Sondern nur zu weiteren urkomischen, aberwitzigen, ausgesprochen lustigen Ereignissen und Aventiuren des übergewichtigen Bücher-Ritters von der traurigen Gestalt führt.
Und all das kommt bis zum elegant eingefädelten Ende höchst sympathisch daher, durchgehend ironisch-augenzwinkernd, weil mit versteckten Anspielungen jonglierend, und ist dabei an keiner Stelle denunziatorisch.
Wäre man nicht schon vom „Independent“ vorgewarnt, der auf der Umschlagrückseite zitiert ist, nichts während der Lektüre dieses Buches zu trinken, man würde es nur vor lauter Lachen verschütten, so wird man doch hier immer wieder überrascht über die Vielzahl an Pointen, die Ian Sansom zündet, und über die glänzenden Dialoge, in denen Israel Armstrong durch eine ihm fremde Welt schlittert.
„Bücher auf Rädern“ ist ein Roman, der noch den dunkelsten Wintertag aufhellt. Die Ansteckungsgefahr, dass das Lachen auf andere übergreift, wenn Sie dies Buch in öffentlichen Verkehrsmitteln lesen, ist ausgesprochen groß.
Es ist ja leider anzumerken: Das Metier des komischen Kriminalromans ist ausgesprochen schütter und überschaubar. Es gibt im deutschen Sprachraum zwar einen Heinrich Steinfest und in den USA einen Großmeister wie Donald Westlake. Nun gibt es Ian Sansom, den englischen Schriftsteller, der heute in Nordirland lebt, in Belfast an der dortigen Universität lehrt und für namhafte britische Zeitungen schreibt.
Am Ende ist dann nur noch eine Frage übrig: Wann und wie schnell kommen die mittlerweile zwei weiteren Romane um und mit Israel Armstrong auf Deutsch heraus?
Literaturangaben:
SANSOM, IAN: Bücher auf Rädern. Ein Roman aus der irischen Provinz. Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence. Piper Verlag, München 2007. 336 S., 12 €.
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