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Siedler wird 85 Jahre alt

Der Geburtstag eines „schreibenden Verlegers“

© Die Berliner Literaturkritik, 17.01.11

Von Wilfried Mommert

BERLIN (BLK) - Der „schreibende Verleger“, der als Autor mit gedankensprühenden und sprachmächtigen Essays hervortrat, hat Werke von Karl Marx, Albert Speer, Willy Brandt, Konrad Adenauer, Michail Gorbatschow, Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker und Franz Josef Strauß verlegt. Sein Lebensmotto war stets „Auf rechte Weise links zu sein“.

Das erfolgreichste Buch wurde allerdings die schon in den 1970er Jahren erschienene „Möwe Jonathan“ von Richard Bach – eine „Petitesse“, ein „"Kleiner Prinz" für Krankenschwestern“, wie Siedler anfangs dachte, der dann vom Bestsellererfolg überrascht wurde. Auch an einer in beiden deutschen Staaten erschienenen Bismarck-Biografie des Ostberliner Historikers Ernst Engelberg war Siedler 1985 beteiligt, was seinerzeit als gelungener Verleger-Coup galt. Zu seinen internationalen Bestsellern gehörte die Hitler-Biografie seines Freundes Joachim Fest. Mitte der 90er Jahre erschien bei Siedler die deutsche Ausgabe von Daniel Goldhagens umstrittenem Buch „Hitlers willige Vollstrecker“.

Zu den „Flaggschiffen“ seines Verlages gehörte die mehrbändige Geschichte „Die Deutschen und ihre Nation“. Im Jahr 2000 erschien der erste Band von Siedlers Memoiren mit dem Titel „Ein Leben wird besichtigt“, dem vier Jahre später der Band „Wir waren noch einmal davongekommen“ folgte, eine profunde Stadt- und Kulturgeschichte des westlichen Nachkriegs-Berlins.

Der „letzte Großbürger“ und „preußische Gentleman“, wie manche den am 17. Januar 1926 in Berlin geborenen Siedler auch nennen, ist als kritischer Schöngeist einer „der letzten sprachmächtigen Vertreter des alten Berlin“, wie es Klaus Bölling einmal formuliert hat. Vor allem aber wurde Siedler Verleger aus Berufung, dem es dabei immer um den gesellschaftlichen Disput wie auch um die Legitimation der eigenen Arbeit ging.

Auch wenn er stets den eigenen Standpunkt verteidigt hat – ein Verleger solle sich hüten, ein „Missionar“ zu werden, plädierte Siedler doch für Ethos und Niveau in seinem Berufsstand. So appellierte er einmal vor Buchhändlern an die Verantwortlichkeit eines Verlagshauses, auch bei einer Expansion des Unternehmens das Verhältnis von Geist und Kommerz nie außer Acht zu lassen. „Von einem gewissen Augenblick an muss man sich fragen lassen, wozu man groß geworden ist.“

Ethos und Niveau galten für Siedler auch schon in seiner Arbeit als Journalist wie zum Beispiel als Feuilletonchef des Berliner „Tagesspiegel“ von 1955 bis 1963. Anschließend leitete er fast 20 Jahre die Verlage Ullstein und Propyläen sowie von 1980 bis 1998 den von ihm zusammen mit dem Filmkaufmann Jochen Severin gegründeten Siedler Verlag, der inzwischen nach München umgezogen ist (Random House). Sein Sohn Wolf Jobst Siedler jun. führt die Verlagstradition in seinem neugegründeten Verlag in Berlin fort.

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Als Klassiker auf dem Gebiet der modernen Architektur gilt das Buch des Verlegers „Die gemordete Stadt“ von 1964 über Bausünden im westlichen Nachkriegs-Berlin. Nach der Wiedervereinigung veröffentlichte er 1998 den Band „Phönix im Sand. Glanz und Elend der Hauptstadt“. So sehr er die neuen Bauten in Berlin als „Warenhaus der Weltarchitektur“ aufs Korn nahm, hat er den Streit um die Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses nie verstanden. „Das Schloss war Berlin.“ Siedler glaubt bei aller kritischen Sicht auf seine Vaterstadt fest daran, dass Berlin immer wieder auf die Beine kommt, weil sein Mythos unzerstörbar sei.


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