Werbung

Werbung

Werbung

Ein spannendes Panoptikum des frühen Reisens

Arnold Eschs zweigeteilter luzider Essay „Landschaften der Frührenaissance“

© Die Berliner Literaturkritik, 12.01.09

 

Ein schmales Buch, fast ein Bändchen. So kommt die jüngste Publikation Arnold Eschs daher, des 1936 geborenen Historikers, der von 1988 bis 2001 das Deutsche Historische Institut in Rom leitete. Italien ward ihm zum Leit- und Lebensthema. „Mercenari, mercanti e pellegrini“ heißt eines seiner zahlreichen Bücher, ein anderes, das ihn beim historisch interessierten Publikum endgültig etablierte, „Wege nach Rom“. Nun widmet er sich in einem zweigeteilten luziden Essay jenen Wegen, die in der Frührenaissance weg von Rom führten.

Wie erlebte ein Papst die Landschaft der Frührenaissance in der Umgebung Roms? In hinreißend klarer, so beschwingter wie elegant ausschwingender Sprache skizziert Esch Enea Silvio Piccolomini, der sich nach seiner Papstwahl 1458 Pius II. nannte. Dieser hoch intelligente und umfassend gebildete Humanist ersteht bei Esch in seiner Komplexität – erst theologisch ausgebildeter Lebemann (der 1443 einen Sohn mit einer Engländerin zeugte und dies gänzlich unverstellt in einer Apologie an seinen Vater, den so nahe liegenden naturgegebenen Gelüsten zuschrieb und ein Jahr später eine Liebesnovelle publizierte), wenig später dann geweihter Priester. Pius war ein hingebungsvoll reisender Papst (trotz schwerer Gichterkrankung), das Vazieren war keineswegs die Erfindung des vorletzten Oberhauptes der katholischen Kirche; manchmal war der Hofstaat damals bis zu sieben Monate nomadisierend unterwegs. Doch der anspruchslose Pius legte keinen Wert auf angemessene, also fürstliche Unterbringung und Speisung bei Fürsten, die sich so Vorteile und Gunst verschaffen wollten.

Vielmehr erlebte, schilderte und genoss Pius das einfache Landleben. Und erzählte in seinen überlieferten „Commentarii“ von Wäldern und Villegiaturen in freier Natur, unter teils primitiven Bedingungen. Die präzise Beobachtung der Natur, selbstredend für einen Humanisten unter Beachtung literarischer Vorbilder, stand im Vordergrund. Und Esch setzt dies erzählerisch grandios und sehr kundig in Korrespondenz zu Kunstwerken der Maler der Frührenaissance wie Andrea Mantegna, Paolo Uccello oder Piero della Francesca. Mit zahllosen hinreißenden Details – wie der Schilderung eines deutschen Vertreters am Papsthofe, der umständlich hin- und herjagend und kostspielig eine Bulle akquirierte, oder einer Schneeballschlacht seiner Prälaten und Kardinäle, die Pius höchst amüsiert verfolgte – ist dieses schön ausgestattete und typographisch sorgfältig gestaltete Buch buchstäblich gespickt.

„Das Erlebnis der griechischen Inselwelt in der Renaissance“, der Text, der die zweite Sektion bildet, ergänzt dies äußere Sehen der Welt durch ein inneres. Hier erzählt Esch von der Ägäis, von Seereisenden, die Chroniken ihrer Überfahrten von Italien nach Jaffa oder Jerusalem hinterließen, die sich oft genug zu knochenschlotternden Abenteuern mauserten – war doch die für Venedig so elementare Handelsroute via Kreta in den Nahen Osten permanent bedroht durch die osmanische Flotte wie durch (christliche) Korsaren. Hinzu kam das erstmalige Erkunden der Hinterbleibenschaften der Antike. Nicht umsonst behandelte eine vor wenigen Jahren erschienene Monographie aus Eschs Feder die Wiederverwendung der Antike im Mittelalter. Auch in diesem Aufsatz überkreuzen, überlagern und ergänzen sich diverse Perspektiven und rapportierte Stimmen. Und ergeben ein bannendes wie spannendes Panoptikum des frühen Reisens an der Schwelle zur Hochrenaissance.

Am Ende bleiben zwei Seufzer: Ach, könnte doch jeder deutsche Historiker so gut schreiben wie Esch! Und: Wieso lediglich solcherart abbreviaturische Essays, besitzt Arnold Esch doch unbestreitbar und unüberlesbar einen Atem für Längeres.

Literaturangaben:
ESCH, ARNOLD: Landschaften der Frührenaissance. Auf Ausflug mit Pius II. C. H. Beck Verlag, München 2008. 128 S. mit 25 Abbildungen, 1 Karte und 2 Faksmilies, 14 €.

Verlag

Mehr vom „BLK“-Autor Alexander Kluy


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: