Von Karin Zintz
HAMBURG (BLK) – Selten trifft die Verfilmung eines historischen Romans so den Nerv der Zeit wie die „Buddenbrooks“. Der Untergang einer Kaufmannsfamilie, in der alle Entscheidungen und Beziehungen dem wirtschaftlichen Erfolg unterworfen sind, wirkt angesichts der weltweiten Finanzkrise als eindringliche Mahnung, andere Prioritäten zu setzen. Doch vor dem Hintergrund der Krise entfaltet der Film von Heinrich Breloer mit vielen deutschen Stars auch das glamouröse Bild einer vergangenen Epoche.
Regisseur Breloer ist für seine hochwertigen Fernseh-Produktionen wie „Speer und Er“ oder „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ vielfach ausgezeichnet worden. Der Filmemacher sieht den Menschen immer im politischen, historischen Zusammenhang. Auch bei den „Buddenbrooks“ – der 1901 erschienene Roman von Thomas Mann hat ihn seit seiner Jugend fasziniert – verankert er die Familie und ihre menschliche Krise in der Ökonomie.
Von der Aktualität des Themas wurde das Team „dann doch überrascht“, wie Schauspieler Armin Mueller-Stahl sagt. Der Weltstar schlüpft nach seiner Rolle als Thomas Mann in „Die Manns“ nun mühelos in dessen Figur des Lübecker Konsuls Jean Buddenbrook. Mueller-Stahl, der sich seinem Leben früh für die Künste und gegen den Kommerz entschieden hat, benennt den Kern des Problems: „Das ist ja die Geschichte: Das Dilemma, wenn alle denken, Gierigkeit sei des Lebens Inhalt.“
Dabei geht es nicht nur um Gier und das Streben nach Erfolg. Wie der Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann in seinem Roman ziseliert auch Breloer im Film den Unabhängigkeitsdrang der Tochter Toni (Jessica Schwarz) heraus, den Bruderzwist zwischen dem Künstler Christian und dem Kaufmann Thomas Buddenbrook (August Diehl und Mark Waschke) und die eiserne Gefühlsdisziplin der Konsulin (Iris Berben). Und er zeigt, dass es kein richtiges Leben im Falschen gibt: Die Opfer, die die Familie über Generationen für den Erfolg bringt, fordern zu viel Kraft und Energie. Die Buddenbrooks gehen unter.
Die Bilder von Kameramann Gernot Roll, der zur Stammbesetzung im Breloer-Team gehört, fangen vor allem die alte Hansestadt Lübeck in all ihrer Pracht ein. An vielen Originalschauplätzen, allen voran dem „Buddenbrookhaus“, in dem die Familie Thomas Manns gelebt hat, musste kaum etwas verändert werden, um die Atmosphäre der vergangenen Blütezeit lebendig werden zu lassen. Kostüme, Ausstattung, Besetzung – alles ist vom Feinsten. Das Publikum kann bei großen Ballszenen schwelgen und staunt, wie die Kaufleute in steifer Prozession mit Zylinder auf dem Kopf in der Getreidebörse das Angebot begutachten.
„Buddenbrooks“ bietet 150 schöne Kinominuten zur Weihnachtszeit - aber das schmerzhafte Drama tut nicht wirklich weh, obwohl viel gestorben wird. Die Darsteller spielen differenziert, funkeln können sie nicht. Bei all den Stars und der historisch genauen Prachtentfaltung ist der Film doch eine jener Produktionen, die in jüngster Zeit unter dem Label „Amphibienfilm“ Kontroversen in den Feuilletons entfacht haben.
„Amphibienfilm“, das bedeutet, dass eine Kinoproduktion maßgeblich mit Fernsehmitteln realisiert wird und sowohl auf der weiten Leinwand als auch auf dem engen Bildschirm funktionieren soll – mit fatalen Auswirkungen auf die Qualität des cineastischen Erlebnisses. Dramaturgie, Kamera, Schnitt der „Buddenbrooks“ entsprechen den Bedürfnissen des Fernsehens.
So wird in den „Buddenbrooks“ bei jedem Ortssprung nach Lübeck oder Amsterdam brav kurz auf das Holstentor oder eine Gracht geschnitten. Das mag im Fernsehen funktionieren, dann weiß der Zuschauer, der möglicherweise nicht voll bei der Sache ist, wo er sich gerade befindet. Im Kino wirken solche Momente vor allem in ihrer Wiederholung ein bisschen hilflos und plump. Wer es also über Weihnachten und Silvester nicht ins Kino schafft, kann sich auf die Ausstrahlung der längeren Fassung demnächst zur Primetime in der ARD freuen. Dort finden die „Buddenbrooks“ mit Sicherheit ihre Bestimmung.