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Eine Art Biografie

Paul Veyne über Michel Foucaults Denken und Leben

© Die Berliner Literaturkritik, 28.08.09

Schon nach den ersten Zeilen dieser persönlichen Biografie eines Freundes und Kollegen über Michel Foucault ward klar, dass ich diese Aufgabe genau so angehen musste, wie die Schriften des Porträtierten im Original. Soll heißen, mit Duden und Fremdwörterbuch. Mag sein, dass der eine oder andere von einem Rezensenten ein ordentlich belesenes, bebrilltes und beredtes Inventar verlangt, doch bei solch hohen Ansprüchen brauche ich mich gar nicht hinter meinem linguistischen und soziologischen Unwissen zu verbergen, sondern darf freimütig bekennen: Es macht ja auch Spaß, neue Wörter zu lernen! Und genau das ist bei Foucault, und anscheinend auch bei demselben in sekundärer Form, unabdingbar.

Den Diskurs können wir gar nicht auslassen, Paul Veyne tut es auch nicht. Seine Vorstellung des 1984 verstorbenen französischen Philosophen und Historikers beginnt just mit dieser Allzweckwaffe von Welt- und Sinnbeschreibung. Nicht, dass Foucault der erste gewesen ist, der der angeblichen Wahrheit mit jener Diskursdefinition einen Spiegel vorgehalten hätte, aber in dieser Dringlichkeit und Konsequenz ist dies, vielleicht abgesehen von Husserl, nur bei ihm derart manifestierend ausgebaut worden. Neben den inhaltlichen Spezifika seines Wissenschaftskollegen streut Veyne auch hin und wieder, und wenn dann geschickt, persönliche Anekdoten und Hintergründe in seine Fast-Biografie ein. Der Eklat vom französischen Historikerkongress 1978 beispielsweise, als mahnendes Beispiel für das so schwer zu tilgende Bild der kausalen Wirklichkeit machte Foucault zu schaffen, wie er Veyne damals offenbarte.

Die metaphysische Stabilität der Geschichte ist es, die Foucault im Blick hat, und die Veyne gleich einem sympathischen Nekrolog hier fortführt. Die grundlegenden philosophischen Charakteristika des Michel Foucault, der Skeptizismus, der Universalismus und das Dispositiv werden, wie eingangs angedeutet, nicht eben verständlicher beschrieben als im Original, aber immerhin etwas persönlicher und biografischer. Diese Mischung ist interessant, aber nicht immer leicht verdaulich und auch nicht immer notwendig. Denn wenn schon Foucault revisited, dann endlich mal so, dass auch der einfache Rezensent und darüber hinaus die lesende Interessensgemeinschaft in aller Klarheit begreifen kann, was da aufgetischt worden ist.

Der auf römische Geschichte spezialisierte, althistorische Pariser Professor Paul Veyne führt die Leser erst am Ende des Buches in das ein, was vielleicht den vorherigen Inhalt erheitern und erleuchten hätte können: Das bizarre, spannende und kursorische Leben seines Kollegen. LSD-Trips und Schwulensauna in San Francisco, die Liebe zu den USA (Warum? Hintergeht er damit nicht alle seine Botschaften?) und die tödliche Krankheit namens Aids, die er sich vielleicht in jener kalifornischen Schulensauna zugezogen hat, sind die sensiblen und wichtigen Thematiken, die ein solcher Überblick enthalten muss und der ihm letztlich erst die rechte Größe geben kann. Das jenes Gewürz nur so bescheiden und marginal eingestreut wird, ist vielleicht der größte Nachteil des Buches.

So bleibt folgendes zu konstatieren: Veyne formuliert Foucault wie Foucault sich selbst formuliert hätte. Wert legt er dabei in erster Linie auf das Œuvre des Meisters und weniger auf das wirkliche Leben. Die Samuraianalogie wird wie die anderen intimen Geschichten erst ganz am Ende demaskiert und irgendwie dann auch nur so, dass eine neue rätselhafte Maske zum Vorschein kommt. Immerhin, so darf frohlockt werden, habe ich ein paar neue Fremdwörter gelernt. Der Philosophie sei Dank.

Von Marco Gerhards

Literaturangabe:

VEYNE, PAUL: Foucault. Der Philosoph als Samurai. Übersetzt aus dem Französischen von Ursula Blank-Sangmeister. Reclam Verlag, Ditzingen 2009. 240 S., 19,90 €.

Weblink:

Reclam Verlag


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