Von Brita Janssen
So ziemlich zu Beginn stirbt jemand auf rätselhafte Weise und viele grübeln und machen sich daran, das Geheimnis um die Tat zu lüften. Silvia Bovenschens neues Buch „Wer weiß was“ trägt den Untertitel „Eine deutliche Mordgeschichte“ – und es ist auf jeden Fall eine Art Kriminalroman, wenn auch kein Krimi im trivialen Sinn. Die 63-jährige, Mitte 20 an Multipler Sklerose erkrankte Autorin und Literaturwissenschaftlerin, die mit ihrem klugen Band „Älter werden“ (2006) bekannt wurde und seitdem viele Preise einheimste, hat ein fulminantes Verwirrspiel mit vielen Handlungssträngen vorgelegt, angesiedelt in einem Milieu, in dem sie sich bestens auskennt: die Universität.
Gespickt mit literarischen Anspielungen und erkenntnistheoretischen Überlegungen, mit Erörterungen zu Raum und Zeit und den Grundbedingungen menschlicher Wahrnehmungsmöglichkeiten stellt das Buch ziemliche Anforderungen an die Leser. Oberflächlich gesehen scheint es um den Tod eines Professors zu gehen, der mit einem Messer im Rücken auf der Universitätstoilette gefunden wird. Doch darüber hinaus gibt es immer wieder kleine, anspruchsvolle Exkurse über das Schreiben an sich - schließlich ist eine der Hauptfiguren Schriftstellerin - über die Begrenztheit von Sprache und die Zerstörungswut der Menschheit, die zu echtem Mitgefühl nicht fähig scheint. All das ist eingebettet in geistreiche und mitunter äußerst witzige Dialoge, die die meist intellektuellen Protagonisten miteinander führen.
Es ist Bovenschen durchaus gelungen, die ganzen Verwicklungen ihrer Geschichte schlüssig zu einem überraschenden Ende zu führen, doch drängt sich der Eindruck auf, dass die Autorin einfach zuviel transportieren wollte und ihr Buch daher ziemlich überfrachtet hat. Dazu zählen auch die typographisch abgesetzten Kapitel mit den Außerirdischen, die ihre Studien mit den Menschen treiben – immer unter der Überschrift „Irgendwann Irgendwo“, ganz im Gegensatz zum übrigen, zeitlich genau datierten Geschehen wie „Donnerstag 9 Uhr“.
Vielleicht kam der Schriftstellerin Bovenschen dieses Mal beim Spiel mit dem Genre Krimi ganz einfach die renommierte Literaturwissenschaftlerin in die Quere. Der Leser muss jedenfalls aufpassen, dass er von der Gelehrsamkeit und sicher auch überbordenden Schreiblust der Verfasserin nicht ständig auf falsche Fährten gelockt wird und seinen Spürsinn dafür benutzt, die literarischen Anspielungen und Zitate entschlüsseln zu wollen. „Die Amsel“ steht so über einem Kapitel - das war doch Musils berühmte Erzählung? Und „Einen Spaß will er sich machen“ - hm, eine Anspielung auf Nestroys Posse „Einen Jux will er sich machen“? Und was soll dieses Stilmittel der unzähligen, meist kommentierenden Bemerkungen in Klammern - war da nicht was bei Proust? Wer weiß was? – Bovenschen bestimmt.
Literaturangabe:
BOVENSCHEN, SILVIA: Wer weiß was. Eine deutliche Mordgeschichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2009. 336 S., 16,95 €.
Weblink: