Von Susanna Gilbert-Sättele
Es ist schon ein eigenartiges Phänomen: In Zeiten von Schlankheitswahn und Fast Food verfolgen unzählige Zuschauer, wie Promiköche vor laufender TV-Kamera ihre fantasievollen Kreationen zubereiten - um danach ein Fertigprodukt in die Mikrowelle zu schieben. Mit aufwendig gestalteten und originellen Kochbüchern bemühen sich Verlage und Verfasser, Lust auf Selbstgemachtes zu wecken, die Experimentierfreude anzuregen und das Verantwortungsgefühl für die eigene Gesundheit anzusprechen. Auffallend viele neue Werke rufen traditionelle Gerichte in die Erinnerung zurück.
„Alles in Butter“: Schon der Titel des Kochbuches der rheinischen Frohnatur unter den Fernsehköchen, Horst Lichter, zeigt, dass es mit der Cholesterinphobie ein Ende haben könnte. „Wir haben nun mal keine Olivenhaine bei uns, Butter und Sahne spielen daher in unserer heimischen Küche eine wichtige Rolle“, schreibt der bärtige Koch und Autor in seinem mit vielen Anekdoten angereicherten Werk. Lustvoll gibt er alten, lange verpönten Klassikern wie der Kohlroulade oder dem himmlischen, mit vielen Eiern angereicherten „Omelette Surprise“ neue Würze. Zugleich will er beweisen, dass auch Kochen unter Zeitdruck nicht zwangsläufig zum Griff nach Fast Food aus dem Supermarktregal führen muss.
Sarah Wiener ist nicht nur die lieblichste Erscheinung unter den Fernsehköchen, sie ist als Österreicherin geradezu prädestiniert für Süßspeisen. Und so ist ihr Buch „La dolce Wiener“ ausschließlich Leckereien gewidmet, die glücklich machen. Über 180 Rezepte aus Österreich, Deutschland und Frankreich hat die in Halle geborene charmante Wienerin zusammengetragen, immer mit einer Prise Überraschung angereichert, einem besonderen Gewürz, einer ungewöhnlichen Dekoration oder mit Aroma-Kombinationen à la Wiener. Allein die Abbildungen lassen beim Betrachter das Wasser im Munde zusammenlaufen. Man möchte auf der Stelle in die Kreationen
hinein beißen, kann das Zimt- oder Himbeeraroma geradezu riechen, so ansprechend sind die Fotos.
Wer hätte gedacht, dass harte Kerls wie Hannes Jaenicke oder Steffen Wink leidenschaftlich gern kochen? 33 Männer bekennen sich in dem von Ulf Meyer zu Kueingdorf herausgegebenen „Männerkochbuch“ mit dem Untertitel „Mal was Richtiges“ zu ihrer Passion. Die Rezepte sind so unterschiedlich wie ihre Schöpfer. Sie reichen von der Veggie Soup von Karsten Schellenberg bis zum Spanferkel aus dem Ofen, kredenzt von Jochen Bendel. Meist mögen sie es deftig, aber die Ökowelle ist auch an den gestandenen Männern nicht spurlos vorbei gegangen: Jaenicke zaubert ein Bio-Müsli, und Herbert Kaupp stellt seine Zitronen-Spaghetti vor. Allen gemeinsam ist die Lust am Kreativsein und das selber auferlegte Gebot, dass die Zutaten frisch und erstklassig sein müssen.
Von Jamie Oliver hat man länger nichts gehört, das lag wohl daran, dass er für sein 10. Kochbuch „Jamies Amerika“ einen Roadtrip quer durch den Kontinent unternahm. Herausgekommen ist ein Buch, das mit dem Vorurteil, in USA gäbe es nur Fast Food und XL-Portionen, aufräumt. Oliver sammelte Rezepte aus dem hispanischen Bereich und entdeckte Speisen der Indianer neu. Oder er macht den Lesern Barbecues mit frischem Coleslaw schmackhaft, wie sie in Georgia beliebt sind. Gleichwohl wischt er auch Burger und Doughnuts nicht vom Tisch, allerdings nur, wenn die nicht aus Massenproduktion stammen.
Authentizität ist auch oberstes Credo in Monika Schusters Kochbuch „Echte Klassiker“. Ohne Schnörkel, eben klassisch, werden Köstlichkeiten wie geschmorter Ochsenschwanz, Königsberger Klopse, Matjes nach Hausfrauenart und die urdeutsche Kartoffelsuppe vorgestellt. Beim Durchblättern des optisch aufwendig gemachten Werkes wird klar, dass sich die heimische Küche vor der
internationalen keineswegs verstecken muss.
Der Autodidakt Claudio Del Principe ist süchtig nach Kochen. Er ist Mitglied des schrägen Schweizer Foodblogs anonymekoeche.net, der seinem Buch auch den Titel „Anonyme Köche“ gab. Principe schreibt, wie er kocht: frei von der Leber weg und mit viel Genuss. Es gibt nicht nur Bilder der fertigen Gerichte, sondern auch witzige
Illustrationen oder Begebenheiten aus dem Leben des Autors. Die Rezepte reichen vom klassischen Apfelkuchen bis zu edelsten Trüffelgerichten oder einer raffiniert einfachen Gemüsesuppe aus Mangold, Blatt-Zichorie und Stängelkohl.
Klotzen statt Kleckern ist das Motto von Andreas Neubauers Buch „Einfach beeindruckend“. 100 eigentlich recht unkomplizierte Gerichte werden optisch so aufgepeppt, dass auch anspruchsvolle Gäste nur so ins Staunen kommen. Dabei wird bei den Grundgerichten, wie einer Tomatensuppe oder Lammkoteletts, strikt auf die Qualität der Produkte geachtet. Spiegelei auf Cremespinat etwa wird in dem Buch zum spektakulären Genuss-Event, wenn um den Eidotter Makkaroni
geschlungen und das ganze mit frisch gehobeltem Parmesan bestreut ist. Ein kompletter Menüplaner rundet das ästhetische Werk ab, auch Ungeübte werden ihre Gäste in Staunen und Entzücken versetzen.
Die gleiche Zielgruppe wird von Christian Rach mit seinem“Gästebuch: Kochen für besondere Anlässe“ angesprochen. Wenn die Panik ausbricht, weil sich unverhofft Gäste angekündigt haben, ist dieses Werk goldrichtig. Rach stellt zehn Grundregeln für festliche Anlässe auf, die zu befolgen eine Erfolgsgarantie ist. Mit der richtigen Planung, dem richtigen Einkauf und der gezielten Vorbereitung ist schon fast alles gewonnen. Sein kulinarisches Angebot ist so aufgestellt, dass fast alles vorbereitet werden kann und unliebsame Überraschungen, wie ein zusammengefallenes Soufflé, ausbleiben.
Als Kontrast zu all dieser Opulenz präsentiert sich Uwe Glinkas und Kurt Meiers „Sparkochbuch“. Die beiden Autoren zeigen, wie man sich „günstig und ausgewogen nach dem Regelsatz Hartz IV“ ernähren kann. Die Verfasser wissen, wovon sie schreiben, sind sie doch selbst arbeitslos. Bei einem Budget von rund 4,40 Euro am Tag ist Selbstkochen ebenso zwingend geboten wie der Gang zum Discounter und
die tägliche Suche nach Sonderangeboten. Resteverwertung und damit Eintöpfe spielen eine wichtige Rolle in dem Buch. Aber auch die gute alte ländliche Küche kommt wieder zu Ehren: Rezepte von Landfrauenvereinen wie der Pichelsteiner Topf, das Hühnerfrikassee oder „Himmel und Erde“ entdecken die Verfasser neu. Spartanisch wie das Budget ist auch die Aufmachung des Buches, was seiner Qualität nicht im Mindesten schadet.
Literaturangabe:
LICHTER, HORST: Alles in Butter. Goldmann Verlag, München 2009. 176 S., 19,95 €.
WIENER, SARAH: La dolce Wiener. Knaur Verlag, München 2009. 176 S., 19,95 €.
MEYER ZU KUEINGDORF, ULF (Hg.): Mal was Richtiges. Männerkochbuch. Goldmann Verlag, München 2009. 144 S., 19,95 €.
OLIVER, JAMIE: Jamies Amerika. Dorling Kindersley Verlag, München 2009. 360 S., 24,95 €.
SCHUSTER, MONIKA: Echte Klassiker, die jeder liebt. Verlag Gräfe & Unzer, München 2009. 191 S., 19,90 €.
DEL PRINCIPE, CLAUDIO: Anonyme Köche. Verlag Gräfe & Unzer, München 2009. 192 S., 19,90 €.
NEUBAUER, ANDREAS: Einfach beeindruckend. Verlag Gräfe & Unzer, München 2009. 160 S., 16,90 €.
RACH, CHRISTIAN: Das Gästebuch: Kochen für besondere Anlässe. Edel Verlag, Hamburg 2009. 192 S., 24,95 €.
GLINKA, UWE; MEIER, KURT: Das Sparkochbuch. Egmont Verlagsgesellschaft, Köln 2009. 96 S., 8,95 €.
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