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Eine imaginäre Freundschaft

Der Roman „Sonntags bei Tiffany“ von James Patterson

© Die Berliner Literaturkritik, 26.11.08

 

MÜNCHEN (BLK) – Im Novermber 2008 ist der Roman „Sonntags bei Tiffany“ von James Petterson bei Page & Turner erschienen.

Klappentext: Die achtjährige Jane ist ein einsames kleines Mädchen. Denn ihre Mutter Vivienne, eine erfolgreiche Broadway-Produzentin, hat nichts anderes im Kopf als ihre Karriere und ihre Liebschaften. Glücklicherweise gibt es aber jemanden, der Jane zur Seite steht – ihr treuer Freund Michael. Zwar ist Michael für alle anderen Menschen unsichtbar, aber deshalb ist er Jane nicht weniger nahe. Ihm vertraut sie ihre Nöte und Sorgen an, mit ihm teilt sie alle Geheimnisse. An ihrem neunten Geburtstag muss Michael sie jedoch verlassen, so will es ein ehernes Gesetz, und die beiden dürfen sich nie mehr wiedersehen. Dreiundzwanzig Jahre später: Jane führt ein hektisches Leben als Mitarbeiterin in der Produktionsfirma ihrer Mutter. Auch die Beziehung zu ihrem Freund Hugh, einem ambitionierten jungen Schauspieler, ist nicht glücklich, denn Hugh ist weniger in Jane verliebt als in ihre Kontakte zur Medienwelt. Doch dann trifft Michael eines Tages zufällig die unglückliche Jane und ist sofort tief bewegt. Darf er das Gesetz brechen und sich ihr wieder nähern? Darf er ihr helfen? Und gibt es Raum für eine Liebe, die keine Schranken gelten lässt?

Seine Thriller um den Kriminalpsychologen Alex Cross machten James Patterson zu einem der erfolgreichsten Bestsellerautoren der Welt. Inzwischen feiert er auch mit seiner neuen packenden Thrillerserie um Detective Lindsay Boxer und den „Club der Ermittlerinnen“ internationale Bestsellererfolge. (tam/mir)

Leseprobe:

©Page & Turner©

Es war einmal in New York

Jede Kleinigkeit dieser Sonntagnachmittage ist in mein Gedächtnis eingebrannt, doch statt bei der Sache mit mir und Michael gleich auf den Punkt zu kommen, werde ich mit dem weltbesten, leckersten und vielleicht sündigsten Eisbecher beginnen, der im St. Regis Hotel in New York City serviert wird.

Ich nahm immer das Gleiche: zwei faustgroße Kugeln Kaffeeeis, verwirbelt mit einem Strang heißer Karamellsoße, die dicker, klebriger und zäher wird, wenn sie die Eiscreme berührt. Darauf kam echte Sahne. Selbst im Alter von acht Jahren kannte ich den Unterschied zwischen echter Schlagsahne und dem gefälschten Nichtmilchprodukt aus der Sprühdose.

Auf der anderen Seite meines Tisches im Astor Court saß Michael, unanfechtbar der hübscheste Mann, den ich kannte oder, ich korrigiere, bis dahin kennengelernt hatte. Und der netteste, freundlichste und vielleicht klügste Mensch.

An jenem Tag beobachtete er mich mit seinen leuchtend grünen Augen, als ich mit unverhohlener Freude dem Kellner in weißer Livree entgegenblickte, der den Eisbecher mit quälender Langsamkeit vor mich stellte.

Michael bekam eine Schale mit Melonenkugeln und Zitronensorbet. Seine Fähigkeit, den Freuden eines Früchteeisbechers zu widerstehen, konnte mein kindliches Gehirn noch nicht begreifen.

„Vielen Dank“, sagte Michael, der seine Liste beneidenswerter Eigenschaften durch ein hohes Maß an Höflichkeit ergänzte.

Woraufhin der Kellner ... nichts erwiderte.

In den Astor Court ging man, wenn man im St. Regis Hotel ein schickes Dessert haben wollte. An diesem Nachmittag saßen hier wichtig aussehende Menschen, die wichtig wirkende Gespräche führten. Im Hintergrund spielten zwei Geiger auf Symphonieorchesterniveau, als wären sie im Lincoln Center.

„Okay“, sagte Michael schließlich. „Zeit, mit dem Jane-und-Michael-Spiel zu beginnen.“

Mit strahlenden Augen klatschte ich in die Hände.

Das Spiel funktionierte so: Einer von uns deutete auf einen Tisch, der andere musste sich überlegen, um was für Leute es sich handeln könnte. Der Verlierer bezahlte das Dessert.

„Und los!“ Michael streckte den Finger in Richtung dreier junger Mädchen in fast identischen hellgelben Leinenkleidern.

Ohne zu zögern sagte ich: „Debütantinnen. Erste Saison. Gerade den Abschluss an der High School gemacht. Vielleicht in Connecticut. Vielleicht – wahrscheinlich – Greenwich.“

Michael legte den Kopf in den Nacken und lachte. „Du hast eindeutig zu viel Zeit mit Erwachsenen verbracht. Aber sehr gut, Jane. Ein Punkt für dich.“

„Also gut.“ Ich deutete auf einen anderen Tisch. „Dieses Paar da drüben. Das aussieht wie die Cleavers in Leave it to the Beaver. Erzähl mir ihre Geschichte.“

Der Mann trug einen graublau karierten Anzug, die Frau eine leuchtend rosa Jacke mit grünem Faltenrock.

„Ehepaar aus Nord-Carolina“, ratterte Michael sogleich los. „Wohlhabend, Inhaber einer Tabakladenkette. Er ist geschäftlich hier. Sie begleitet ihn, um einen Einkaufsbummel zu machen. Jetzt erzählt er ihr, dass er die Scheidung einreichen will.“

„Oh.“ Ich blickte auf den Tisch hinab und stieß kräftig die Luft aus, während ich den Löffel in meinen Eisbecher tauchte und ihn mir dann in den Mund schob. „Ja, anscheinend lassen sich alle Paare scheiden.“

Michael biss sich auf die Lippen. „Ach nein, warte, Jane. Ich habe Unrecht. Er bittet sie nicht um die Scheidung. Er sagt ihr, er hat eine Überraschung – er hat eine Kreuzfahrt geplant. Auf der Queen Elizabeth II. nach Europa. Es sind ihre zweiten Flitterwochen.“

„Klingt schon besser.“ Ich lächelte. „Ein Punkt für dich. Hervorragend.“

Ich senkte den Kopf und bemerkte, dass mein Früchteeisbecher irgendwie fast verschwunden war. Wie immer.

Michael blickte sich theatralisch im Restaurant um. „Da sind welche, die errätst du nie“, sagte er.

Er zeigte auf einen Mann und eine Frau nur zwei Tische entfernt.

Ich blickte hinüber.

Die Frau war etwa vierzig Jahre alt, gut gekleidet und atemberaubend hübsch. Man hätte sie für eine Filmschauspielerin halten können. Sie trug ein leuchtend rotes Designerkleid und passende Schuhe zu ihrer großen, schwarzen Handtasche. Alles an ihr sagte: Seht mich an!

Der Mann, mit dem sie am Tisch saß, war jünger, blass und sehr dünn. Er trug einen blauen Blazer, dazu einen gemusterten Seiden-Plastron, den man sich noch nicht einmal früher umgebunden hätte. Beim Sprechen gestikulierte er kräftig mit den Händen.

„Das ist nicht lustig“, beschwerte ich mich, musste aber trotzdem grinsen und die Augen verdrehen.

Weil die beiden meine Mutter, Vivienne Margaux, die berühmte Broadway-Produzentin, und der diesjährige Promi-Friseur, Jason, waren. Jason, die Gewächshauspflanze, die keine Zeit für einen Nachnamen hatte.

Wieder blickte ich zu ihnen hinüber. Eines war sicher: Mama hätte angesichts ihrer Schönheit selbst Schauspielerin sein können. Als ich sie einmal gefragt hatte, warum sie keine geworden war, hatte sie geantwortet: „Schätzchen, ich will nicht nur auf dem Zug mitfahren, ich will ihn lenken.“

Jeden Sonntagnachmittag, wenn Michael und ich im St. Regis beim Dessert saßen, nahmen auch meine Mutter und einer ihrer Freunde ihren Kaffee und ihr Dessert dort ein. Somit konnte sie tratschen oder sich beschweren oder Geschäfte abwickeln, mich aber trotzdem im Auge behalten, ohne direkt bei mir sein zu müssen.

Nach dem St. Regis ließen wir unsere Sonntage bei Tiffany ausklingen.

Meine Mutter liebte Diamanten, trug sie überall, sammelte sie wie andere ihre Kristalleinhörner oder seltsame japanische Katzen aus Keramik mit einer hochgehobenen Pfote.

Natürlich fanden diese Sonntage meine Zustimmung, weil Michael dabei war. Michael, der mein bester Freund auf der Welt war, vielleicht der einzige, den ich als Achtjährige hatte.

Mein imaginärer Freund.

Ich rückte näher zu Michael. „Soll ich dir was sagen?“, fragte ich. „Das ist echt der Hammer.“ „Was?“, wollte er wissen.

„Ich glaube, ich weiß, worüber meine Mutter und Jason reden. Über Howard. Ich glaube, Vivienne hat ihn satt. Aus Alt mach Neu.“

Howard war mein Stiefvater und der dritte Ehemann meiner Mutter. Jedenfalls der dritte, von dem ich wusste.

Ihr erster Mann war Tennisprofi aus Palm Beach. Er hatte ein Jahr lang gehalten.

Dann war Kenneth gekommen, mein Vater. Er hatte sich besser angestellt als der Tennisprofi – und drei Jahre lang ausgehalten.

©Page & Turner©

Literaturangaben:
PATTERSON, JAMES: Sonntags bei Tiffany. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Helmut Splinter. Page und Turner Verlag, München 2008. 288 S., 18,50 € .

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