Nataša Dragnić: Jeden Tag, jede Stunde. Roman. DVA, München 2011. 288 S., 19,99 €.
Von Angelo Algieri
Sehnsucht – nicht nur bei Richard Wagners romantischer Oper „Tristan und Isolde“ ein zentrales Motiv, sondern auch bei Nataša Dragnić' Debütroman „Jeden Tag, jede Stunde“. Die Schriftstellerin, Jahrgang 1965, ist im kroatischen Split an der dalmatinischen Küste geboren, lebt jedoch seit 1994 in Erlangen und arbeitet als freiberufliche Fremdsprachen- und Literaturdozentin.
In ihrem Roman geht es um die unerfüllte Liebesgeschichte von Luka und Dora. Sie sind in der gleichen kroatischen Stadt Makarska geboren, eine dalmatinische Küstenstadt, 60 km südlich von Split. Sie haben sich 1964 im Kindergarten kennengelernt, Luka war damals 5, Dora 2 Jahre alt. Seitdem sind sie unzertrennlich – bis 1968 Dora mit den Eltern nach Paris umzieht. Jahre der unüberwundenen heimlichen Sehnsucht folgen. Doch als im November 1984 Luka in Paris bei der Vernissage seiner Ausstellungseröffnung – er ist ein aufstrebender Maler geworden – Dora begegnet, entflammt die Liebe zwischen beiden erneut. Drei Monate bleiben ihnen – bis er nach Makarska zurückfährt und seine Ex-Freundin Klara trifft, die ihm offenbart, dass sie schwanger ist. Daraufhin heiraten sie.
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Nach langem Warten einer Nachricht von Luka, fährt Dora wenige Monate später selbst nach Kroatien. Dort erfährt sie, dass er verheiratet ist. Dennoch sehen sie sich jeden Tag und lieben sich in einem Hotelzimmer – in jenem Hotel, wo Luka arbeitet. Dora stellt ihn vor die Wahl: sie oder Katja. Doch er kann sich nicht entscheiden – was würden die Leute sagen … Sie fährt nach Paris zurück und wird eine gefeierte Schauspielerin. Als Dora jedoch erkennt, dass sie ihre Liebessehnsucht nicht unterdrücken kann, fährt sie 1991 für einen Tag nach Makarska, um Luka zu sehen, beide schlafen miteinander – 9 Monate später bekommt sie einen Sohn. Luka wird erst 2008 von seinem Sohn wissen, als Dora wieder nach Makarska fährt. Ironie der Geschichte: Als Luka erfährt, dass die erste Tochter nicht von ihm ist, kann Dora nicht mit ihm zusammen sein. Denn sie ist seit 2005 verheiratet – eine unendliche, unerfüllte und unsägliche Liebesgeschichte.
Im Gegensatz zu „Tristan und Isolde“ schafft es Dragnić nicht, trotz traurigen Schicksalsschlägen, zu berühren. Die einfühlsame und pathetische Musik mag fehlen. Sie könnte durch einen poetischen Rhythmus ersetzt werden – doch auch das schafft Dragnić nicht! Trotz der Pablo-Neruda-Verse, die sich das Liebespaar gegenseitig aufsagen. Die Stimmung bleibt plakativ-romantisch. Zudem fragt man sich, weshalb mit dem gut gewählten Setting nicht mehr gemacht worden ist: Jugoslawien zu und nach Titos Zeiten, aufkeimende Nationalismen, der Kroatienkrieg 1991-95 sowie die prosperierende Wirtschaft danach. Und das immer wieder aktuelle Thema der Migration – Dora zieht nach Frankreich um – wird gar nicht tiefgreifend thematisiert. Zugegeben die Themen bzw. Ereignisse werden allenfalls erwähnt – auch wenn Luka in den Krieg zieht und daraufhin am Bein verwundet wird, kommt es sehr leicht daher und ist immer auf Dora bezogen – und nicht auf die Grausamkeit des Krieges beispielsweise.
Nein – eine moderne Variante von „Tristan und Isolde“ ist dieser Roman nicht geworden. Dragnić verpasst mehrere Themen in die Liebesgeschichte einzubringen und auszubauen. Die Konzentration nur auf die Liebesgeschichte bekommt man, mit Verlaub, in Groschenromanen nicht nur besser erzählt, sondern auch noch günstiger!
Weblink: DVA Verlag