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Emanzipation aus Schweden: „Bitterfotze“ von Maria Sveland

Maria Svelands Roman „Bitterfotze“ in der Besprechung

© Die Berliner Literaturkritik, 09.03.09

Von Thomas Borchert

Nach den deutschen „Feuchtgebieten“ von Charlotte Roche kommt jetzt aus Schweden Maria Svelands „Bitterfotze“. Bei den Skandinaviern hat der Roman der 34-Jährigen ähnlich explosiv eingeschlagen wie hierzulande Roches erotische Bekenntnisse. Aber aus etwas anderen Gründen, meint die Autorin: „Bei mir geht es weniger um Sex, aber dafür ganz heftig um eine Weltrevolution, die es im Verhältnis der Geschlechter geben muss.“

Die „Bitterfotze“ in Svelands Buch ist die junge Mutter Sara, die nach der Geburt ihres ersten Kindes entsetzt erleben muss, wie Ehemann und Gesellschaft alle Lasten einer jungen Kleinfamilie bei ihr abladen. Mit nachhaltigen Folgen für Saras Lebenslust: „Ich bin erst dreißig und schon so verbittert. Ich bin richtig bitterfotzig.“

Zur Übersetzung ihres Schweden-Bestsellers hat Sveland bei Interviews mit gleichaltrigen Journalistinnen in Deutschland den Eindruck gewonnen, dass dort die Revolution für Frauen mit Kindern und Ehemann noch viel dringlicher scheint: „Deutschland ist in Sachen Gleichberechtigung ja ein Entwicklungsland! Ihr hinkt uns noch gut 30 Jahre hinterher.“

Dabei gibt es auch in Schweden mit flächendeckendem Kindergarten-Angebot und doppelt so hoher Frauenerwerbsquote reichlich Grund zum Zorn für junge Mütter wie Sveland. Die Journalistin, Ehefrau und Mutter von zwei kleinen Söhnen, hat ihn als bunte Mischung aus Autobiografie, Fiktion und Meinungen über das niederschmetternde Verhältnis der Geschlechter zu Papier gebracht.

Monatelang allein mit ihrem Baby, während der Ehemann und Vater „ohne jedes Schuldgefühl“ für die eigene Karriere auf Reisen ist. Dauernder Schlafentzug wegen des schreienden Kleinkindes, während der Ehemann seelenruhig durchschläft. Quälend schlechtes Gewissen, wenn sie dann doch mal für ein paar Tage auszubrechen versucht. Und am Ende tosender Applaus der Umwelt, wenn der junge Vater dann doch mal ein bisschen zu Hause bleibt, um auf den Kleinen aufzupassen.

„Wie sollen wir jemals zu einer gleichberechtigten Gesellschaft kommen, wenn es uns nicht einmal gelingt, mit demjenigen gleichberechtigt zu leben, den wir lieben?“ fragt Sara, und so lautet auch der Untertitel des schwedischen Originalromans.

Sveland lässt ihre Titelfigur bei einem Ausbruchsversuch aus der Kleinkinder-Sklaverei mit kritischem Blick nach glücklichen Ehepaaren suchen. Sie findet keine – und sieht die tiefere Ursache in nach wie vor fehlender Gleichberechtigung: „So lange die Verantwortung für zu Hause nicht gleich verteilt ist und die Frauen dort unbezahlt arbeiten und ansonsten auf Teilzeit gehen müssen, kann aus romantischem Familienglück nichts werden.“ Dann lieber ein Frauen-Dasein als Single, meint die Autorin: „Alle Untersuchungen zeigen, dass es den meisten Frauen nach Scheidungen langfristig besser geht. Bei Männern ist das umgekehrt. Warum wohl?“

Nicht von ungefähr haben zwei schwedische Theater die Bühnenversion der „Bitterfotze“ zum diesjährigen Weltfrauentag auf ihrem Programm. „Ich bekomm auch zwei Jahre nach Erscheinen des Buches unglaublich viele Mails von Frauen, die sich in Sara haargenau wiedererkennen“, sagt Sveland. Und gibt ihrer Sara ein kleines Happy-End. Sie fühlt sich nur noch als „Teilzeit-Bitterfotze“.

Literaturangaben:

SVELAND, MARIA: Bitterfotze. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009, 263S., 8,95 €.

Verlag

 

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