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England im Mittelalter

Rebecca Gablés historischer Roman „Hiobs Brüder“

© Die Berliner Literaturkritik, 21.10.09

BERGISCH GLADBACH (BLK) – Im Ehrenwirth Verlag erscheint im Oktober 2009 der historische Roman „Hiobs Brüder“ von Rebecca Gablé.

Klappentext: England 1147: Eingesperrt in einer verfallenen Inselfestung, fristen sie ein menschenunwürdiges Dasein, weil sie nicht zu den Kindern Gottes zählen: Simon hat die Fallsucht. Edmund hält sich für einen toten Märtyrerkönig. Regy ist ein Mörder und so gefährlich, dass er an einer Kette gehalten werden muss. Losian hat sein Gedächtnis und seine Vergangenheit verloren. Ausgerechnet Letzterem fällt die Führung dieser sonderbaren Gemeinschaft zu, als eine Laune der Natur ihnen den Weg in die Freiheit öffnet. Er bringt die kleine Schar zurück in die „wirkliche“ Welt, wo Hunger, Not und Rechtlosigkeit herrschen. Auf ihrer Reise gelangt er zu erschreckenden Erkenntnissen über den Mann, der er einmal war. Und gerade als er einer Frau begegnet, mit der ein Neuanfang möglich scheint, beginnt Losian zu ahnen, dass er die Schuld an dem furchtbaren Krieg trägt, der England zugrunde zu richten droht ...

Rebecca Gablé, Jahrgang 1964, machte nach dem Abitur eine Lehre als Bankkauffrau. In diesem Beruf hat sie anschließend auch vier Jahre gearbeitet. 1995 erschien ihr erster Kriminalroman „Jagdfieber“, der im Jahr darauf für den Friedrich-Glauser-Krimipreis nominiert wurde. Mit ihrem ersten historischen Roman „Das Lächeln der Fortuna“ (1997) kam der eigentliche Durchbruch. Seit dem hat sie etwa alle zwei Jahre einen Mittelalterroman veröffentlicht. 2006 erhielt sie für ihren Roman „Die Hüter der Rose“ den Sir-Walter-Scott-Preis. (kum)

Leseprobe:

©Ehrenwirth©

Isle of Whitholm, Februar 1147

„Sieh dich um, du Ausgeburt der Hölle“, knurrte der Mönch. „Wirf einen letzten Blick auf die Welt.“

Unwillkürlich folgte Simon der Aufforderung, obwohl er sich so fest vorgenommen hatte, genau das nicht zu tun. Er blieb stehen, wandte sich um und blickte zurück über die rastlose, aufgewühlte See. Der Wind fuhr ihm ruppig durch die Haare und wehte ihm eine Strähne ins Auge, aber der Junge konnte nichts tun, um sie zurückzustreichen, denn die Brüder hatten ihm die Hände auf dem Rücken gefesselt. Anscheinend fürchteten sie, der fünfzehnjährige, schilfdünne Knabe sei in der Lage, es mit vier gestandenen Benediktinern gleichzeitig aufzunehmen.

Ein Sonnenstrahl brach durch die bleifarbene Wolkendecke und tauchte das Meer und die flache Küste des Festlandes drüben in ein gleißendes, geradezu unirdisches Licht. Simon sah das Heidekraut aufleuchten, und der Turm der Klosterkirche, der eigentlich gedrungen und hässlich war, wirkte mit einem Mal filigran und schimmerte wie Elfenbein. Eine kleine Schafherde graste dicht zusammengedrängt unweit der klösterlichen Obstwiesen. Wie gelbe Wollflocken wirkten die Tiere aus der Ferne. Dann schob sich eine der schweren Wolken vor die Sonne, und das einsam gelegene St.-Pancras-Kloster versank wieder im Zwielicht.

Nicht gerade überwältigend, hätte Simon gern gesagt, um der Welt, die ihn ausstieß, zu bekunden, dass er gut auf sie verzichten könne. Doch nicht einmal zu dieser trotzigen Lüge bekam er Gelegenheit, denn die Brüder hatten ihn geknebelt, damit er sie nicht verfluchen konnte.

Der alte Mönch mit dem Glatzkopf und den weißen Haarbüscheln in den Nasenlöchern, der sich während des Exorzismus’ so in Rage gebetet hatte, dass er irgendwann ohnmächtig zusammengebrochen war, stieß den Jungen mit seinem knorrigen Gehstock zwischen die Schulterblätter. „Vorwärts!“

Simon kehrte der Welt den Rücken.

Das kleine, aber stabile Ruderboot, mit welchem die Brüder ihn hergebracht hatten, schaukelte auf den kurzen Wellen. Mit zwei dicken Leinen war es am Anlegesteg vertäut. Vermutlich graute den wackeren Brüdern davor, ihr Bötchen könne abtreiben und sie hier stranden, nahm Simon an.

Keine dreißig Schritte vom Bootssteg entfernt erhob sich ein Palisadenzaun mit einem mächtigen hölzernen Torhaus.

„Der Schlüssel, Bruder Martin“, drängte der mit den Nasenhaaren. Es klang ungeduldig und ein bisschen nervös.

Sie hatten wirklich Angst vor ihm, wusste Simon. Jetzt ganz besonders. Sie fürchteten, im letzten Augenblick könne noch irgendetwas schiefgehen, könne er sich mit Hilfe der finsteren Mächte, die ihm innewohnten, befreien und sie alle niederstrecken oder in Regenwürmer verwandeln. Bruder Nasenhaar hielt seinen Äschenstock einsatzbereit hoch, und die hellen Augen strahlten unnatürlich. „Nun mach endlich“, drängte er seinen Mitbruder.

Der nahm den größten Schlüssel, den Simon je im Leben gesehen hatte, vom Gürtel und steckte ihn in ein ebenfalls riesiges, schwarzes Vorhängeschloss. Erst als dessen Bolzen aus einer rostigen Öse gezogen war, konnten die beiden anderen Brüder den mächtigen Eisenriegel hochstemmen, der das Tor versperrte. Solche Schließkonstruktionen gehörten natürlich eigentlich auf die Innenseite eines Burgtors.

Aber hier war eben alles anders.

©Ehrenwirth©

Literaturangabe:

GABLÉ, REBECCA: Hiobs Brüder. Ehrenwirth Verlag, Bergisch Gladbach 2009. 907 S., 24,99 €.

Weblink:

Ehrenwirth Verlag


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