HEIDELBERG (BLK) - Die wohl berühmteste Lyrikhandschrift des Mittelalters - der „Codex Manesse“ - kann erstmals seit Jahren wieder bewundert werden. Die aus 426 Pergamentblättern bestehende Lied- und Spruchsammlung rund um das Thema Minne steht im Zentrum der Schau „Der Codex Manesse und die Entdeckung der Liebe“, die am Montag in Heidelberg eröffnet wurde. Darin wird nach Angaben der Universität am Beispiel des Codex und weiterer wertvoller Handschriften die Entdeckung der Liebe im hohen Mittelalter illustriert. Organisiert wurde die Schau, die bis zum 20. Februar 2011 zu sehen ist, zum 625- jährigen Bestehen der Heidelberger Universität, der ältesten deutschen Hochschule.
Der zu Beginn des 14. Jahrhunderts entstandene und mit farbenprächtigen Miniaturen verzierte Codex wird aus konservatorischen Gründen nur selten gezeigt. Zuletzt war er 2006 in einer Mittelalterschau in Magdeburg zu sehen. In Heidelberg wurde er vor zehn Jahren das letzte Mal ausgestellt, wie Sabine Häußermann von der Universitätsbibliothek berichtet. Meist lagert die mit 50 Millionen Euro versicherte Handschrift im klimatisierten Tresor der Heidelberger Universitätsbibliothek. 50 Millionen seien allerdings ein „Idealwert“ für die Handschrift, sagt Häußermann. „Wenn sie weg ist, ist sie weg - und auf dem Markt nicht wirklich veräußerbar.“
Um Schätze besonderer Art geht es in den Texten: Die Große Heidelberger Liederhandschrift, wie der Codex auch genannt wird, enthält 140 Dichtersammlungen in mittelhochdeutscher Sprache zum Thema Minne. Die Idee der Liebe war von der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an in Epik und Lyrik zum Thema geworden - ein Novum in der Literatur. Die Frage des Dichters Walther von der Vogelweide, was das Wesen der Liebe sei, beschäftigte Adel und Priesterschaft - und verschaffte der Liebe bei Hofe die Bedeutung eines ethischen Werts. In vielen Texten und Bildern wurde thematisiert, dass es einem Ritter nicht mehr reichte, eine Dame zu besitzen - er wollte auch ihr Herz erobern.
Unterstützen Sie unser unabhängiges Literaturmagazin: Kaufen Sie Ihre Bücher in unserem Online-Buchladen! Vielen Dank!
Im „Codex Manesse“ ist der staufische und nachklassische Minnesang laut Bibliothek „in einzigartiger und unerreichter Fülle“ versammelt, er gilt deshalb als „eines der Schlüsselzeugnisse für die Literatur und Kultur der Stauferzeit“. „Es wurde zusammengetragen, was man jeweils von den Dichtern kannte“, erläutert Häußermann. Etwa die Hälfte der Liedtexte sei nur dank der Sammlung überliefert. „Wenn wir diesen Codex nicht hätten, wüssten wir nichts von den Liedern.“
Über höfische Verhaltensweisen informiert in der Ausstellung der „Welsche Gast“ von Thomasin von Zerklaere, eine von 30 Original- Handschriften. Dazu zählt auch der „Parzival“ des Wolfram von Eschenbach. Ein ausgestopfter Falke, eine nachgebaute Laute und zahlreiche Fotos und Faksimiles sind ebenfalls Teil der Schau. (bal/dpa)