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Der Roman „Como“ von Srdan Valjarevic

Zwischen desillusionierten Tönen und der Hoffnung

© Die Berliner Literaturkritik, 15.07.09

Ein junger serbischer Schriftsteller erhält ein Förderstipendium für einen einmonatigen Aufenthalt in Italien, um einen Roman zu schreiben. Einfach so. Ohne konkrete Pläne oder literarische Ambitionen reist der Protagonist also aus dem vom Krieg gezeichneten Belgrad, dem „Zentrum des ständigen Gräuels, das Menschen anderen Menschen antun“, nach Bellagio, eine idyllische Kleinstadt am Comer See.

Hierher, in eine der luxuriösen Villen auf einem Hügel mit dem poetischen Namen „Tragödie“, zieht sich die internationale geistige Elite zum Arbeiten zurück und vertreibt sich die Abende mit Konversation und klassischen Konzerten. Nichts scheint das vermeintliche literarische Jungtalent mit den distinguierten Künstlern und Wissenschaftlern in der „Villa Sebelloni“ gemein zu haben, nichts als seine Vorliebe für guten Wein. Oder Whisky. Oder (im Notfall) auch Bier.

So freundet er sich zunächst nur mit den hauseigenen Kellnern und den Kneipenbesitzern Bellagios an. Des Italienischen nicht mächtig, kann er sich mit der Barkeeperin Alda nur mithilfe von Zeichnungen verständigen und entwickelt ohne viel Sprache, dafür aber mit viel Wein, eine tiefe Zuneigung zu ihr wie auch zu dem Barbesitzer Augusto. Diese haben beinahe ihr ganzes Leben in dem kleinen Ort verbracht, ohne jemals den Hügel „Tragödie“ bestiegen zu haben, der über ihrer Heimatstadt thront. Er scheint die intellektuelle High Society symbolisch von den einfachen Stadtbewohnern zu trennen.

Während die einen in ihrer Welt Gedichtbände verfassen oder den flämischen Lebensstil im 17. Jahrhundert erforschen, spülen die anderen Gläser und grölen dabei Lobeshymnen auf Mussolini oder Juventus Turin. Es gibt keine Verbindung zwischen der Lateinprofessorin oben auf dem Hügel und der Kellnerin unten in der Kneipe.

Der Protagonist übernimmt gleichsam genau diese Funktion. Er, der sich jetzt etwas unbeholfen in den Kreisen der Reichen und Klugen bewegt, hat sich in Belgrad mit Fabrikarbeit und Gelegenheitsjobs durchgeschlagen, weil er vom Schreiben nicht leben konnte. Deshalb fühlt er sich in der Gegenwart Aldas und Augustos zunächst wohler, doch er fügt sich auch mehr und mehr in die kultivierte Gesellschaft der Villa ein, kauft sich eine Krawatte und freundet sich mit einem alten Wissenschaftlerpaar aus Kalifornien an. Er betrinkt sich mit den afrikanischen Malariaforschern genauso gern wie mit den Anhängern des örtlichen Fußballclubs. Die Romanze mit Alda scheint ihm nicht mehr oder weniger zu bedeuten als die Affäre mit der verheirateten New Yorker Starfotografin Brenda. Schließlich lädt er Alda und Augusto sogar als seine Gäste in die Villa ein und durchbricht damit kurzzeitig die Barrieren einer sozialen Oberschicht, die sich heute wie eh und je durch Bildung und Attitüde abzugrenzen versucht.

Der Zynismus des Ich-Erzählers weicht zunehmend der Entspannung und Gleichgültigkeit eines Heimatlosen, der nichts zu tun und nichts zu verlieren hat. Tage des Müßiggangs reihen sich scheinbar endlos aneinander. Langsam beginnt der Protagonist, seine Zeit in Bellagio, die malerische Umgebung und sogar die Gesellschaft einiger Menschen zu genießen. Doch da ist der Monat auch schon vorbei und er muss nach Belgrad zurückkehren, freilich ohne auch nur eine einzige Zeile zu Papier gebracht zu haben. Das macht ihn zwar traurig, aber dieser Zustand ist für den Erzähler nicht neu und er akzeptiert die Tatsache, passiv und ohne jegliche Absicht, irgendetwas daran zu ändern.

So ruhig und eintönig wie die Tage auf dem Hügel plätschert auch das Romangeschehen dahin. Der Erzähler ist ein desillusionierter, von Krieg und Armut abgestumpfter Gelegenheitspoet, dem auch die Schönheit um ihn herum, obgleich er sie durchaus wahrnimmt, seine trübsinnige Grundstimmung nicht nehmen kann. Dementsprechend flüchtig sind auch die Beschreibungen seiner Mitmenschen, denn ob sie ihm gefallen oder nicht, er schaut nicht so genau hin.

Die Charaktere sind manchmal amüsant, manchmal sympathisch, bleiben aber immer etwas flach und schemenhaft. Das gilt auch für die Hauptfigur selbst. Die Leserin scheint sich mit dem Erzähler in einem Zustand permanenter Trunkenheit zu befinden, die, mal stärker und mal schwächer, die Sinne vernebelt und die Emotionen betäubt. Selbst wenn der Protagonist sagt, der alte Mathematikprofessor aus Berkeley habe ihn begeistert und die attraktive Fotografin beeindruckt, so sind diese Empfindungen zugleich immer von Melancholie und dem Beigeschmack der Vergänglichkeit getrübt und das gibt dem Werk durchaus einen sehr eigenen Charme. Die Distanz des Erzählers schafft Raum für nüchterne und scharfsinnige Beobachtungen menschlicher Verhaltensweisen und sozialer Beziehungen, wie auch für Beschreibungen der ureigenen Schönheit der Natur. Dem vielbeachteten serbischen Autor Valjarevic gelingt es in diesem Roman, zwischen all den pessimistischen Tönen zuweilen auch die Hoffnung anklingen zu lassen, dass Jedem immer etwas Schönes passieren kann.

Von Anne Mucha

Literaturangabe:

VALJAREVIC, SRDAN: Como. Roman. Aus dem Serbischen von Richard Götz. Edition Zwei. Wieser Verlag, Klagenfurt / Celovec 2008. 269 S., 14,80 €.

Weblink:

Wieser Verlag


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