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Erbarmungslose Welt

Roger Smith schreibt über die dunkle Seite von Südafrika

© Die Berliner Literaturkritik, 15.03.10

Stuttgart (BLK) – Im Februar 2010 ist im TropenVerlag Roger Smiths Afrika-Thriller „Blutiges Erwachen“ erschienen.

Klappentext: Ein höllisch heißer Sommer in Kapstadt. Das amerikanische Ex-Model Roxy und ihr Mann Joe, ein zwielichtiger Waffenhändler, werden überfallen. Joe wird verwundet, und als die schwarzen Gangster mit seinem Wagen verschwunden sind, handelt Roxy kurz entschlossen und erschießt ihren Mann. Die beiden Gangster, die plötzlich unter Mordverdacht stehen, schwören auf Rache. Doch unverhofft findet Roxy einen Beschützer, den farbigen Billy Afrika, der allerdings seine ganz eigenen Ziele verfolgt. Und sie alle haben Piper im Nacken, einen liebesbesessenen Psychopathen, der brutal entschlossen ist, sich das zu holen, was er für sein Eigentum hält.

Roger Smith, 1960 in Johannesburg geboren, ist Drehbuchautor, Regisseur und Produzent, lebt und arbeitet in Kapstadt. Während der südafrikanischen Apartheidjahre hat er das erste hautfarbenübergreifende Filmkollektiv gegründet. Daraus ist eine Reihe von wichtigen, international erfolgreichen Protestfilmen hervorgegangen. Sein Debüt „Kap der Finsternis“ war ein großer internationaler Erfolg und wird in Hollywood verfilmt. Smith schreibt derzeit an seinem dritten Roman.

 

Leseprobe:

©Tropen Verlag©

An dem Abend, als sie ausgeraubt wurden, speisten Roxy Palmer und ihr Mann Joe mit einem afrikanischen Kannibalen und seiner ukrainischen Hure.

Die Hautfarbe des lässig eleganten, in einen maßgeschneiderten Seidenanzug gekleideten Afrikaners war schwarzblau, und auf den Wangen trug er Stammesnarben. Er sprach ein hervorragendes Englisch mit französischem Akzent, und selbst wenn er aus dem Telefonbuch von Kapstadt vorgelesen hätte, wäre es noch Poesie gewesen. Die Hure hatte blonde Zöpfe, deren dunkle Wurzeln ihre Kopfhaut schraffierten wie Obduktionsnähte einen Leichnam. Sie sprach nicht viel und war während des Essens die meiste Zeit damit beschäftigt, Roxy wegen ihres naturblonden Haares und ihres perfekten amerikanischen Gebisses zu hassen.

Wenn der Kannibale seinen Monolog unterbrach, um zu essen oder zu trinken, versuchte Joe Palmer ein paar Worte einzuschieben. Nach der frankophonen Eloquenz klang der südafrikanische Joe wie ein Lastwagen ohne Kupplung, der mit Zwischengas gefahren wurde.

Sie waren im Blues in Camps Bay mit Blick aufs Meer, und obwohl es bereits fast neun war, als sie sich zum Essen setzten, waren der Strand und die Hänge des Tafelbergs immer noch in die letzten goldenen Sonnenstrahlen getaucht. Kapstadt und Nizza sind Partnerstädte, und an einem Abend wie diesem verstand Roxy auch, warum.

Irgendwann während der Mahlzeit driftete sie ab. Pickte an ihrem Zackenbarsch herum, trank ein Glas Kap-Weißwein mehr, als sie sich normalerweise erlaubte, und ließ sich vom Rhythmus der Stimme des Afrikaners einlullen, ohne wirklich auf seine Worte zu achten. Eine Fertigkeit, die sie sich im Laufe der Jahre mit Joe angeeignet hatte. Allerdings nagte etwas an ihr, ein Erinnerungssplitter, der ihre hart erworbene Distanziertheit durchbohrte.

Dann fiel es ihr wieder ein.

Der Mann, der ihr jetzt hier gegenübersaß und kleine Häppchen Ente à l'orange verspeiste, war während eines der endlosen Bürgerkriege seines zentralafrikanischen Heimatlandes von der Kamera eines Nachrichtenteams gefilmt worden. Er hatte einem Feind bei lebendigem Leib das Herz herausgeschnitten, hatte das noch schlagende Organ aus der Brust des Mannes gezogen und es gegessen. Hatte beim Kauen in die Kamera gegrinst.

Kein französischer Akzent der Welt konnte dieses Bild tilgen. Roxy legte Messer und Gabel aus der Hand, trank einen Schluck Wein und schaute hinaus zum Mond, der über den Wellen aufstieg. Dann warf Joe ihr einen Blick zu, unsichtbar für alle anderen, und sie wusste, dass die Männer ein paar Minuten allein brauchten, um ungestört über Geschäfte zu reden. Waffen oder Söldner. Oder beides.

©Tropen Verlag©

 

Literaturangabe:

SMITH, ROGER: Blutiges Erwachen. Tropen Verlag, Stuttgart 2010. 357 S., 19,90 €.

 

Weblink: Tropen Verlag


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