ZÜRICH (BLK) – Das Buch „Mutter des Erfolgs“ der amerikanischen Rechtsprofessorin Amy Chua ist im Januar 2011 im Verlag Nagel & Kimche in Zürich erschienen. Es wurde von Barbara Schaden aus dem Englischen übersetzt.
Klappentext: Amy Chua ist Juraprofessorin in Yale und zweifache Mutter. Ihre Kinder will sie zum Erfolg erziehen - mit allen Mitteln. Und gemäß den Regeln ihrer Wurzeln in China ist Erfolg nur mit härtester Arbeit zu erreichen. Sie beschließt, dass ihre Töchter als Musikerinnen Karriere machen sollen. Nun wird deren Kindheit zur Tortur. Wo eine Eins minus als schlechte Note gilt, muss Lernen anders vermittelt werden als in unserer westlichen Pädagogik. In ihrem Erlebnisbericht erzählt die Autorin fesselnd, witzig und mit kluger Offenheit von einem gnadenlosen Kampf, der ihr und ihren Töchtern alles abverlangte: ein packendes und hochkomisches Buch über Familie und Erziehung, über Leistungsdruck und über den Willen, unbedingt zu siegen.
Amy Chua wurde1962 in Illinois geboren. Nach ihrer Schulzeit studierte und promovierte die Amerikanerin mit chinesischen Wurzeln in Harvard. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie als Anwältin, anschließend als Professorin für Rechtswissenschaften. Seit 2001 ist sie Inhaberin der John M. Duff-Professur für Recht an der renommierten Yale Law School. 2003 veröffentlichte sie ihr erstes Buch: „World on Fire: How Exporting Free Market Democracy Breeds Ethnic Hatred and Global Instability“. Der New York Times-Bestseller, vom Wirtschaftsmagazin Economist zu einem der besten Bücher des Jahres gekürt, wurde in acht Sprachen übersetzt. 2007 folgte „Day of Empire: How Hyperpowers Rise to Global Dominance – and Why They Fall”. Amy Chua lebt mit ihrem Mann Jed Rubenstein und ihren zwei Töchtern in New Haven.
Leseprobe:
©Nagel & Kimche©
1 | Die chinesische Mutter
Viele fragen sich, wie es kommt, dass chinesische Eltern derart stereotyp erfolgreiche Kinder aufziehen. Wie sie es anstellen, so viele Mathegenies und Musikwunder hervorzubringen, wie es in solchen Familien wohl zugeht, und ob sie selbst das ebenfalls erreichen könnten. Nun, ihnen kann ich verraten, wie es geht, denn ich habe es getan. Was meine Töchter Sophia und Louisa zum Beispiel niemals durften, war:
– bei Freundinnen übernachten
– Kinderpartys besuchen
– im Schultheater mitspielen
– sich beklagen, dass sie nicht im Schultheater mitspielen
· dürfen
– fernsehen oder Computerspiele spielen
– sich ihre Freizeitaktivitäten selbst aussuchen
– eine schlechtere als die Bestnote bekommen
– nicht in jedem Fach, außer Turnen und Theater, Klassenbeste
· sein
– ein anderes Instrument spielen als Klavier oder Geige
– nicht Klavier oder Geige spielen
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Ich verwende den Begriff „chinesische Mutter“ nicht im engen Sinn. Kürzlich lernte ich einen äußerst erfolgreichen Weißen aus South Dakota kennen (in den USA tritt er im Fernsehen auf), und als wir unsere Kindheitserfahrungen verglichen, kamen wir zu dem Schluss, dass sein Vater, ein Arbeiter, eindeutig eine chinesische Mutter gewesen war. Ich kenne koreanische, indische, jamaikanische, irische und ghanaische Eltern, die den Titel ebenfalls verdienen. Umgekehrt kenne ich etliche Mütter, chinesischer Herkunft zwar, aber fast alle im Westen geboren, die, freiwillig oder aus anderen Gründen, nicht chinesische Mütter sind.
Auch den Begriff „westliche Eltern“ verwende ich frei. Westliche Eltern kommen in allen Spielarten vor. Tatsächlich möchte ich riskieren zu behaupten, dass die Erziehungsmaximen westlicher Eltern in sich wesentlich unterschiedlicher sind als die der Chinesen. Unter westlichen Eltern gibt es strenge und lockere. Es gibt gleichgeschlechtliche Paare, Jüdisch-Orthodoxe, Alleinerziehende, Exhippies, Investmentbanker und Militärangehörige. Unter all diesen „westlichen“ Eltern muss durchaus keine Übereinstimmung herrschen, weshalb ich, wenn ich den Begriff „westliche Eltern“ verwende, selbstverständlich nicht pauschal alle westlichen Eltern meine – so wenig wie das Etikett „chinesische Mutter“ für alle chinesischen Mütter gilt.
Das ändert nichts daran, dass westliche Eltern, auch wenn sie selbst sich für streng halten, mit der chinesischen Mutter nicht vergleichbar sind. Zum Beispiel ließen meine westlichen Freunde, die sich als strenge Eltern bezeichnen, ihre Kinder jeden Tag dreißig Minuten, maximal eine Stunde, auf ihrem jeweiligen Instrument üben. Bei der chinesischen Mutter ist die erste Stunde der leichte Teil. Hart wird es in der zweiten und dritten Stunde.
Auch wenn wir noch so empfindlich gegenüber Kulturklischees sind – in punkto Erziehung gibt es haufenweise Studien, die deutliche und messbare Unterschiede zwischen der chinesischen und der westlichen Einstellung belegen. Zum Beispiel sagten im Rahmen einer Studie, die 50 westliche Amerikanerinnen und 48 chinesische Einwanderinnen zu ihren Erziehungsvorstellungen befragte, knapp 70 Prozent der westlichen Mütter entweder, „die Überbetonung von schulischem Erfolg ist nicht gut für Kinder“, oder „Eltern müssen dem Kind vermitteln, dass Lernen Spaß macht“. Unter den chinesischen Müttern hingegen vertraten zirka null Prozent diese Ansichten. Stattdessen sagte die überwiegende Mehrheit der Chinesinnen, sie seien überzeugt, dass ihre Kinder «die Klassenbesten» sein könnten, dass „schulischer Erfolg das Ergebnis erfolgreicher Erziehung“ sei und dass „ ein Problem“ bestehe und Eltern „ihre Aufgabe nicht erfüllen“, wenn Kinder in der Schule nicht herausragend seien. Andere Untersuchungen zeigen, dass chinesische Eltern im Vergleich zu westlichen Eltern täglich rund zehnmal so lange mit ihrem Nachwuchs für die Schule üben. Demgegenüber sind westliche Kinder häufiger in Sportmannschaften vertreten.
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Das bringt mich zu meinem letzten Punkt. Manche denken vielleicht, das Äquivalent der chinesischen Mutter sei die amerikanische Soccer mom, die auf ein eigenes Leben verzichtet, nur um ihre Kinder von einer Sportveranstaltung zur nächsten zu kutschieren. Völlig falsch. Im Unterschied zur typisch westlichen Hausfrau-und-Mutter im Dauereinsatz für die Kinder ist die chinesische Mutter überzeugt, dass Hausaufgaben grundsätzlich an erster Stelle stehen, 2. ein A minus eine schlechte Note ist, 3. ihre Kinder in Mathe den Mitschülern immer um zwei Jahre voraus sein müssen, 4. man die Kinder nie öffentlich loben darf, 5. man im Fall einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem eigenen Kind und einem Lehrer oder Trainer immer die Partei des Lehrers oder Trainers ergreifen muss, 6. die einzigen Freizeitbeschäftigungen, die man den Kindern erlauben sollte, solche sind, die ihnen am Ende eine Medaille eintragen, und 7. diese Medaille aus Gold sein muss.
©Nagel & Kimche©
Literaturangabe:
CHUA, AMY: Die Mutter des Erfolgs. Wie ich meinen Kindern das Siegen beibrachte. Übersetzt aus dem Englischen von Barbara Schaden. Nagel & Kimche, Zürich 2011. 256 S., 19,90 €.
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