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Ewig junge „alte schlimme Finger“

Erich Loest meldet sich im deutsch-deutschen Gespräch zu Wort

© Die Berliner Literaturkritik, 20.01.11

Loest, Erich: Einmal Exil und zurück. Steidl Verlag, Göttingen 2008. 284 S., 16 €, ISBN 978-3865216656.

Von Volker Strebel

In der jungen DDR war Erich Loest einst ein erfolgreicher Schriftsteller. Sein agitatorischer Roman „Die Westmark fällt weiter“ war wohlgelitten. Loests politischer Bruch ist mit dem XX. Parteitag der KPdSU von 1956 verknüpft. Gerade junge Intellektuelle hatten in der DDR ihre Hoffnungen auf Nikita S. Chruschtschows „Tauwetter“-Periode gesetzt. Auch Loest hatte mit einigen Kameraden die Entstalinisierung allzu ernst genommen, doch es sollte anders kommen. 1957 wurde Loests Werdegang jäh beendet, als er über Nacht von der Staatsicherheit verhaftet wurde.

Nach 13 Monaten Haft ohne Anklage wurde ihm der Prozess gemacht. Einer der Vorwürfe war, dass Loest Stalin als Verbrecher bezeichnet haben soll. Das Urteil von siebeneinhalb Jahren saß er im Zuchthaus Bautzen II ab. Die enttäuschten Hoffnungen auf einen besseren Sozialismus, das Versagen menschlicher Solidarität und die Brutalität eines menschenverachtenden Systems haben Loest tiefgreifend erschüttert. Sein weiteres Leben lang beschäftigten ihn diese Erfahrungen und prägen auch viele seiner zahlreichen Veröffentlichungen. Im vorliegenden Band liegen neben Erstveröffentlichungen Einwürfe, Stellungnahmen, Reden und Interviews vor, die zwischen 1990 und 2007 verstreut publiziert wurden.

Die DDR kommt bei Loest zur Sprache und mit Vorliebe widmet er sich dabei besonders tabuisierten Brennpunkten. In einer Rede zum 3. Oktober 2003 kommt Loest auf den 17. Juni 1953 zu sprechen, „jahrzehntelang im Osten verschwiegen und im Westen wesenlos geworden“. Nicht nur in der Ostberliner Stalinallee, sondern landesweit war seinerzeit eine Rebellion gegen das unpopuläre Regime im Gange. Und das konnte nicht alleine dem Ostbüro der SPD angehängt werden, deren Tätigkeit Loest hier durchaus andeutet.

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Das historische Gedächtnis nimmt bei Loest, wen wundert es bei dieser Biografie, einen großen Stellenwert ein. Er staunt noch heute über die gewaltlosen Demonstrationen, die zum Sturz der DDR führten: „Es waren Zehntausende damals, die tapferer waren, als sie es vorher und hinterher von sich verlangten.“ Oft kommt Loest auf Leipzig zu sprechen, „die Stadt meiner Feinde und Niederlagen“, in die er nach der politischen Wende wieder zurückgekehrt war.

Seit 1981 hatte Loest in Westdeutschland gelebt, die provokative Vokabel „Exil“ verwendet er in Hinblick auf jene gewendeten „alten schlimmen Finger, die uns einst ins Exil trieben“. Zu Lebzeiten der DDR hatte Stephan Hermlin darauf bestanden, dass nur die antifaschistischen Schriftsteller der 1930er und 1940er Jahre von Exil sprechen dürften. In zwei abschließend abgedruckten Theaterstücken inszeniert Loest wie einen Tagtraum die Geschichte des „real existierenden Sozialismus“: von Lenin über die Leipziger Bezirksleitung der SED bis hin zur besorgten Beobachtung einer gewendeten SED-PDS-LINKE, die auf Gedächtnisverlust setzt.


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