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Betancourt löst Empörung aus

Teile ihres Buches bezeichnen Mitgefangene als „Lügen“

© Die Berliner Literaturkritik, 21.09.10

BOGOTÀ / PARIS (BLK) - Die frühere kolumbianische Präsidentschaftskandidatin und Ex-Geisel der FARC, Ingrid Betancourt, hat mit ihrem am Dienstag veröffentlichten Buch über die Geiselhaft Empörung ausgelöst. Clara Rojas, die 2002 zusammen mit Betancourt von den linken Rebellen entführt worden war, wirft ihr „Lügen und Gemeinheiten“ vor. Betancourt verteidigt hingegen ihre Schilderungen über die Mitgefangene.

Es sei frei erfunden, dass sie, Rojas, die FARC um Erlaubnis gebeten habe, in der Geiselhaft ein Kind auszutragen, schimpfte Rojas in einem Radiointerview. „Wie kann sie es wagen, so etwas zu unterstellen, wenn sie keine Beweise hat. Das ist infam.“ Die Ex- Wahlkampfchefin von Betancourt hatte in der Geiselhaft von einem Guerillero ein Kind bekommen. Der Junge war von den Rebellen im Alter von acht Monaten in ein Kinderheim nach Bogotá gebracht worden.

„Ich habe gezögert, davon zu erzählen“, sagte Betancourt über einen Brief, den Rojas angeblich wegen ihres Kinderwunsches an die FARC-Kommandanten schrieb. Aber sie habe von ihrer Ratlosigkeit in dieser Situation erzählen wollen. „Ich verstand, dass sie sich durch die Geiselnahme um etwas beraubt fühlte, was in ihren Augen das Wichtigste war: das Recht Mutter zu sein“, sagte Betancourt in einem Interview der Tageszeitung „Libération“ (Dienstag). Sie respektiere ihre Entscheidung.

„Jahre sind seit der Befreiung vergangen, und sie ist nicht einmal imstande gewesen, mich anzurufen. Warum ruft sie mich nicht an, wenn sie Zweifel hat“, fragte hingegen Rojas. Schon andere Ex-Geiseln, die mit Betancourt während ihrer mehr als sechsjährigen Geiselhaft zeitweise in denselben FARC-Lagern festgehalten wurden, hatten sich negativ über die Politikerin geäußert.

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Betancourt war 2008 aus der Hand der FARC-Rebellen befreit worden. In dem Buch schildert sie ihre grausamen Erlebnisse während der Gefangenschaft - das Lagerleben, die Erniedrigungen, die gescheiterten Fluchtversuche, die brutalen Aufseher, das schwierige Verhältnis der Gefangenen untereinander.

Die Franko-Kolumbianerin war nach ihrer Befreiung groß gefeiert worden, sie wurde als Nobelpreisträgerin und erneut als Präsidentschaftskandidatin ins Gespräch gebracht. Später bekam ihr Image Kratzer: Ehemalige Mitgefangene warfen ihr Arroganz vor, ihr Mann wollte sich wegen Untreue und Undankbarkeit scheiden lassen, eine Entschädigungsforderung in Millionenhöhe an den kolumbianischen Staat, die sie anschließend unter Tränen zurückzog, brachte ihr Kritik und Häme ein.

Die vergangenen eineinhalb Jahre hatte sie sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, um ihr Buch „Kein Schweigen, das nicht endet“ zu verfassen. Vorher habe sie ihre Geschichte nicht einmal ihren Kindern und ihrer Mutter erzählen können. „Ich wollte nicht ihren Schmerz sehen“, erklärte Betancourt. Darüber hinaus hoffe sie, dass ihr Buch auch den Rebellen selbst die Augen öffne und sie verstehen lasse, welchen Horror sie ihren Geiseln und dem gesamten Land bereiteten. (bal)

Ingrid Betancourt, Kein Schweigen, das nicht endet. Sechs Jahre in der Gewalt der Guerilla. Übersetzung: Elisabeth Liebl, Maja Ueberle-Pfaff u. Claudia Feldmann. 734 Seiten. Droemer/Knaur Verlag 2010


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