Werbung

Werbung

Werbung

Explosion der Gewalt

Der Berlin-Thriller „Sorry“ von Zoran Drvenkar

© Die Berliner Literaturkritik, 27.03.09

 

Von Irma Weinreich

Sie kennen sich seit der Schulzeit: Kris und sein Bruder Wolf, Tamara und Frauke. Mit fast 30 müssen sie sich eingestehen, dass ihre Träume sich nicht erfüllt haben. Um aus dem Leben endlich etwas zu machen, verfallen sie auf eine clevere Geschäftsidee. Sie gründen eine „Agentur für Entschuldigung“. Auf die Internet-Werbung „Wir sorgen dafür, dass ihnen nichts mehr peinlich ist, Fehltritte, Missverständnisse, Kündigungen, Streit und Fehler. Wir wissen, was sie sagen sollten. Wir sagen, was sie hören wollen. Professionell & diskret“ scheinen die Kunden regelrecht gewartet zu haben, und sie zahlen gut.

Innerhalb weniger Monate haben die vier pfiffigen Berliner so viel Geld zusammen, dass sie sich eine Villa am Kleinen Wannsee kaufen. Damit ist ihre Glückssträhne in Zoran Drvenkars Berlin-Thriller „Sorry“ aber auch schon beendet. Plötzlich sind sie in den Fokus einer schwer durchschaubaren Serie von Gewalt geraten. Bei Drvenkar geht es hart zur Sache. Seine detaillierten Schilderungen diverser Verbrechen von Erpressung und Geiselnahme bis zum organisierten Kindesmissbrauch und Mord wirken verstörend, bisweilen sogar makaber. Die Konstellation, dass Täter zu Opfern und Opfer zu Tätern werden, provoziert nachzudenken über Normen wie Schuld und Sühne, Rache und Vergebung, Mitleid und Verantwortung.

Die Falle schnappt zu, als die Agentur den Auftrag erhält, eine Frau für die entsetzlichen Qualen, die sie ertragen musste, bevor sie starb, um Verzeihung zu bitten. Bevor die auf Wunsch des anonymen Kunden aufgezeichnete „Absolution für viel Geld“ geliefert werden kann, muss die in einer heruntergekommenen Wohnung in Kreuzberg an die Wand genagelte Tote noch „entsorgt“ werden. Als die Leiche im Vorgarten der Villa endlich verscharrt ist, ist sie anderntags nicht mehr auffindbar. Allmählich dämmert es den vier Protagonisten, die Polizei könnte Verdacht schöpfen, sie hätten die bestialische Tat begangen. Geplagt von Ängsten probieren sie selbst Licht in das mysteriöse Dunkel zu bringen.

Der Autor lässt sich Zeit, um Hintergründe für die Gewaltspirale zu liefern. Erst die in einer Rückblende erzählte Geschichte über zwei Jungen, deren Freundschaft von einem zum anderen Tag zerbricht, weil einer von ihnen in die Fänge von Pädophilen gerät, hilft auf die Sprünge. Die schreckliche Erfahrung als Kind wird das Opfer jedoch nicht daran hindern, als Erwachsener selbst zum Täter zu werden.

Drvenkar, 1967 in Kroatien geboren, kam mit drei Jahren mit seinen Eltern nach Berlin. Er ist Autor vielfach ausgezeichneter Kinder- und Jugendbücher. Gegenwärtig wird sein Psychothriller „Du bist zu schnell“ (2003) verfilmt.

Literaturangaben:
DRVENKAR, ZORAN: Sorry. Ullstein Verlag, Berlin 2009. 396 S., 19,90 €.

Verlag


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: