„Strike a Pose“, ein Titel, der sagt, was er will. Es geht ums Protzen, um das Vorzeigen dessen, was man hat. „Exzentrische Architektur und spektakuläre Räume“ verspricht der Untertitel. Das Versprechen wird eingelöst. Auf etwa 300 Seiten versammelt der Band moderne Architektur, die zum einen die komplexen gesellschaftlichen Verhältnisse, in die sie eingebettet ist und die sie zugleich einbettet, widerspiegelt; zum anderen aber auch die sich aus den Verhältnissen der Moderne ergebenden Herausforderungen in Angriff nimmt und neue, ungewöhnliche Wege geht. Dabei geht es den Herausgebern Robert Klanten und Lukas Feireiss nicht um eine Architektur, die um des Auffallens willen hervorsticht, sondern die darum auffällt, weil sie die Versöhnung und die Harmonie mit ihrer Zeit spielerisch und innovativ sucht.
Dies war bereits schon Prinzip ihres letzten Bildbandes „Space Craft“, in dem Objekte versammelt waren, die sich den wandelnden Raumkonzepten der Moderne anpassten und zugleich im besten Sinne moderner Architektur entworfen waren. Klantens Verlag „Die Gestalten“ ist international bekannter als in Deutschland und zählt mit seiner Auswahl an Design- und Gestaltungspublikationen zu den internationalen Top-Verlagen in Deutschland.
Vier Kapitel geben die Kriterien vor, nach denen die abgebildeten Objekte in der neuen Architektursammlung ausgewählt wurden. In „Tramp“ (dt. Landstreicher) sind singuläre, nicht-städtische Objekte abgebildet, die der traditionellen ländlichen Architektur eine Bauweise entgegensetzen, die sich von Natur und ländlicher Atmosphäre inspirieren lässt. Objekt und Umgebung treten hier in einen anregenden Dialog, greifen einander auf und verschmelzen zu etwas Neuem. Vor allem Privathäuser und Villen, aber auch Ateliers, kleinere Ausstellungshäuser und auch einige öffentliche Gebäude sind hier abgebildet. Spektakulär darunter ohne Zweifel der glass-cube des westfälischen Glasherstellers Leonardo, der als Ausstellungshalle und Konferenzzentrum dient oder das ökologisch sensible Levene-Haus des spanischen Architekten Edduardo Arroyo, für dessen Bau inmitten eines Nadelwaldes nicht ein einziger Baum gefällt werden musste.
Der zweite Teil „Abstract Plane“ (dt. Abstrakte Flächen) widmet sich ganz der urbanen Baukunst. Hier sind vor allem Museen, moderne Opernhäuser und öffentliche Einrichtungen versammelt. Von minimalistisch bis verspielt findet sich hier, was das Herz begehrt. Die abgebildeten Gebäude bringen in ihren ikonografisch aufgeladenen Formen zugleich Luft und Statement in die urbane Eintönigkeit, in der Farben und Design oft nur einen großen Einheitsbrei ergeben. Zugleich versuchen die Objekte Lösungen zu schaffen, um Wohnqualität nicht am Platzmangel der modernen Metropolen scheitern zu lassen. Dieses Kapitel kann mit wahren Hinguckern aufwarten. Zum Beispiel das Gebäude der Stadtbibliothek in Sao Paolo, das die Allgegenwart der Literatur zum Programm macht. Name ist Programm gilt auch für das Tetris-Appartmenthaus im slowenischen Ljubljana. Ähnlich auch das Regionalzentrum für zeitgenössische Musik im französischen Nancy, dessen Spiel mit Form, Farbe und Licht selbst wie ein Musikstück erscheint. Oder das Caixa-Forum in Madrid, das trotz seiner manifesten und imposanten Form harmonisch mit der traditionellen Architektur seiner Umgebung verschmilzt.
„True Colors“ (dt. Echte Farben) greift mutige und auffällige Farbexperimente und Lichtspiele auf. Rot scheint dabei eine entscheidende Rolle zu spielen, wie zum Beispiel bei der Neugestaltung der dritten Etage im Londoner Tate Modern Museum oder dem Museum des Nestlé-Konzerns im mexikanischen Toluca. Aber auch die Lichtspiele des im japanischen Nagoya gelegenen kaleidoskopischen Gartens oder die Ausleuchtung der Stierkampfarena in Barcelona und der Casa Digitalia in Mailand beeindrucken. Allerdings muss man hier einschränkend anmerken, dass es sich in diesen Fällen nicht mehr um Architektur, sondern um deren Inszenierung handelt. Sehr wohl innenarchitektonische Raffinesse in Form und Farbgebung, Licht und Spiegelung weisen hingegen das Kaufhaus Weekday in Malmö, das KU64 in Berlin, die Emperor Moth in London oder die Grundschule in Schulzendorf am Rande Berlins auf. Und was Farbe und Formen mit bereits bestehender Architektur so alles anstellen können, zeigt sich bei der Bibliothek der Pariser Jussieu-Universität. Jacques Chirac wollte die linke Universität einst als architektonisches Verbrechen der Neuzeit „wegbomben“, nun erstrahlen die Gebäude in dem repräsentativ-bunten Glanz der verspielten Moderne.
Der Band schließt mit „Crazy Diamond“ (dt. Verrückter Diamant). Der Titel spielt auf Bauwerke an, deren Architekten sich von den kristallinen Strukturen der edlen Steine haben inspirieren lassen. Leider finden sich hier nicht die architektonischen Schmuckstücke, welche der Titel verspricht. Ein buntes Potpourri von allem, was auch nur annähernd eckig oder kantig daherkommt, ist hier versammelt.
Alles in allem aber ist dieser Bildband ein fotografisches Kleinod moderner Architektur, deren Ziel nicht in der Rationalität und Effizienz liegt, sondern die bei allen zweckdienlichen Zugeständnissen noch zu schmücken beabsichtigt. Zuweilen legen die Herausgeber die Grenzen der Architektur zu weit aus, insbesondere bei den Lichtinszenierungen im dritten Kapitel. Schön anzusehen ist es dennoch.
Bedauerlich ist, dass die Anmerkungen zu den Architekten derart marginal sind, dass sie eigentlich nicht der Rede wert sind. Allein für die Freunde der Architektur, die an weiterführenden Informationen interessiert sind, sei hier angemerkt, dass der Bildband in diesem Bereich eine herbe Enttäuschung ist. Diejenigen allerdings, denen die langweilige Zweckarchitektur der Moderne ein Dorn im Auge ist, erwartet eine farb- und formenfrohe tour de force et courage zu Baukunstwerken in aller Welt, die mit Intelligenz, Entschlossenheit und Zukunftsvision entworfen und errichtet wurden.
Von Thomas Hummitzsch
Literaturangaben:
KLANTEN, ROBERT / FEIREISS, LUKAS: Strike a Pose. Eccentric Architecture and Spectacular Spaces. Die Gestalten Verlag, Berlin 2008. 320 S., 59,90 €.
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