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Flick – eine deutsche Biographie

Skandale, Schmiergeld, Verbrechen - Wer war Flick?

© Die Berliner Literaturkritik, 28.10.09

Von Thomas Strünkelnberg

Noch heute horcht man bei dem Namen Flick auf. Flick-Affäre, Schmiergeld, Kriegsverbrechen - Friedrich Flick, der von 1883 bis 1972 lebte, war der böse alte Mann der deutschen Wirtschaft. In der neuen Studie „Flick. Der Konzern, die Familie, die Macht“ erforschen vier Historiker die Geschichte eines Jahrhunderts.

Er beutete Zehntausende von Zwangsarbeitern aus, bereicherte sich an jüdischem Vermögen und war ein verurteilter Kriegsverbrecher. Aber er baute auch zweimal industrielle Imperien auf, zwischen dem Ersten und dem Ende des Zweiten Weltkriegs, dann in der Bundesrepublik. Erst wenige Jahre ist der Berliner Streit um die Kunstsammlung des Enkels Friedrich Christian Flick her. Der Mythos Flick ist langlebig: Da überrascht es nicht, dass bereits das dritte wissenschaftliche Werk über Flick binnen zwei Jahren erscheint.

Wer war Friedrich Flick? „Es ist schockierend wenig, was über Friedrich Flick mit einiger Gewissheit gesagt werden kann“, schreibt der Historiker Norbert Frei von der Universität Jena. Eine Gründerfigur wie Krupp war er nicht – „stattdessen ist sein Name zum Synonym für politischen Opportunismus und den skrupellosen Einsatz wirtschaftlicher Macht geworden“.

Es gelte, ihn als Unternehmer ernst zu nehmen und bei aller Unübersichtlichkeit wechselnder Kapitalbeteiligungen die Frage nach der individuellen Verantwortung zu stellen, schreiben die Historiker. Dabeí geht es neben der Geschichte des Konzerns um die seines Eigentümers. Mit diesem Ansatz ist die Studie, in Auftrag gegeben von der Flick-Enkelin Dagmar Ottmann, die wohl bisher umfassendste Untersuchung. Und Frei und sein Team schonen Flick und seine Familie nicht.

Flick blieb auf erstaunliche Weise immer gleich. Seine Mittel: komplizierte und gut abgeschirmte Finanzgeschäfte, virtuos und skrupellos eingesetzte politische Netzwerke. Zur historischen Verantwortung bekannte er sich nie: „Er ließ keinerlei Läuterung erkennen, sondern hielt unbeirrbar, geradezu bockig an seinem Nürnberger Standpunkt von 1947 fest: Nichts wird uns davon überzeugen, dass wir Kriegsverbrecher sind. Dabei blieb er - bis zu seinem Tod.“ Auch nach dem Nürnberger Urteil zu sieben Jahren Haft - er wurde 1950 begnadigt - sei er unfähig gewesen, Schuld einzugestehen.

Nach Einschätzung der Historiker handelte er fast wie ein Autist – „für sich operierend, allein der eigenen Logik folgend, die Umwelt nur als Außenwelt begreifend, die man sich zunutze macht“.

Flicks Konzern scheiterte letztendlich. 1932 war es zum ersten großen Flick-Skandal, der Gelsenberg-Affäre, gekommen. In der Weltwirtschaftskrise hatte der Industrielle seinen Gelsenberg-Besitz zu einem weit überhöhten Preis an den Staat verkauft und sich so saniert. Schon damals flossen auch Parteispenden.

In der bundesrepublikanischen Zeit folgten öffentliche Auseinandersetzungen über das Erbe und Anfang der 1980er Jahre der Parteispendenskandal - die Flick-Affäre. Bei den Bestechungszahlungen von rund 26 Millionen Mark an CDU/CSU, FDP und SPD ging es darum, den Verkaufserlös von zwei Milliarden Mark aus einem Daimler-Anteilspaket steuerfrei wieder anlegen zu können: „De facto lief es darauf hinaus, dass der seit Jahrzehnten vermittels Spendenwaschanlagen systematisch hintergangene deutsche Steuerzahler der Flick KG zwischen 1976 und 1978 ein Geschenk in Höhe von einigen hundert Millionen Mark machte.“

Schließlich verkaufte der jüngste Flick-Sohn und Erbe Friedrich Karl 1985 die Unternehmen. Offen lässt die Studie, wie die Affäre endete: Der Friedrich Karl zur Seite gestellte Eberhard von Brauchitsch wurde vom Vorwurf der Bestechung freigesprochen, die FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff und Hans Friderichs vom Vorwurf der Bestechlichkeit entlastet. Verurteilt wurden alle drei wegen Steuerhinterziehung.

Die Geschichte der Flicks erschließe sich auch als die „Geschichte der politischen Öffentlichkeit in einem Land, das sich seiner Vergangenheit zunehmend bewusst zu werden begann“, urteilen die Autoren. Die Last des Erbes: Im Herbst 2008 stahlen Unbekannte die Leiche des jüngsten Flick-Sohnes.  

Literaturangabe:

FREI, NORBERT/AHRENS, RALF/OSTERLOH, JÖRG/SCHANETZKY, TIM: Flick. Der Konzern, die Familie, die Macht. Karl Blessing Verlag, München 2009. 912 S., 34,95 €.

Weblink:

Karl Blessing Verlag

 

 


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