Von Frauke Kaberka
Es ist ein Start ins Ungewisse: Drei junge Frauen besteigen mit vielen anderen Auswanderwilligen im Herbst 1953 den Flieger nach Neuseeland. Drei Männer warten dort auf sie. Männer, mit denen sie im Niemandsland ein neues Leben beginnen wollen – zumindest ist es so geplant. „Brautflug“ heißt das Romandebüt der niederländischen Drehbuchautorin Marike van der Pol, und es ist ihr außerordentlich gut gelungen.
Was die drei Frauen noch nicht wissen: Der „Brautflug“ und der mitreisende Frank de Rooy werden sie ein Leben lang miteinander verbinden. Ihre Motive für den ungewöhnlichen Schritt könnten unterschiedlicher nicht sein: Die strenggläubige Ada ist schwanger und reist beladen mit Schuldgefühlen und widerstrebend dem Vater des Kindes nach, um die befleckte Ehre der Familie und ihr Seelenheil zu retten. Die Jüdin Esther kämpft nach dem Holocaust als einzige Überlebende ihrer Sippschaft mit den Dämonen der Vergangenheit und glaubt, sie jenseits von Europa besiegen zu können. Marjorie hingegen freut sich auf ein unbeschwertes Leben mit ihrem geliebten Hans, weit weg von der Familie und dem herrsch- und kontrollsüchtigen Vater.
Der „Brautflug“ wird ein internationales Medienereignis, zumal damit auch gleich ein Wettfliegen zwischen drei Maschinen und Fluggesellschaften verbunden ist. Allein ein Flugzeug voller Bräute aber reicht schon aus, um die Presse der angeflogenen Länder auf den Plan zu rufen. Marjorie kann das nicht erschüttern, zu groß sind Freude und Zuversicht. Esther genießt die Aufmerksamkeit, gedenkt sie doch, schon bald mit ihrer Modekollektion im Mittelpunkt zu stehen.
Die scheue Ada hingegen kämpft mit Unwohlsein, Flugangst und Furcht vor dem Leben mit Derk, jenem Mann, dem sie sich in einem ungezügelten Moment – und um ihn wegen eines Todesfalls zu trösten – hingegeben hat. Ohne den mitfühlenden Frank auf dem Platz neben ihr wäre sie tausend Tode gestorben. Doch schon bald ahnt sie, dass gerade dieser Mann ihr gefährlich werden könnte...
Mit großem Einfühlungsvermögen beschreibt van der Pol das Leben der drei Frauen, die sie zum Romanbeginn nach vielen Jahren an Franks Grab und in der Gegenwart zusammenführt und von diesem Ansatzpunkt aus zurückspult. Und so vervollständigt sich allmählich ein Puzzle, in dem sich die Schicksale der drei Hauptakteurinnen verweben – mal bewusst, mal nebulös und nicht von allen durchschaubar. Frank bleibt eine Randfigur, die jedoch stets präsent und die Ursache der engen Verbindung zwischen Esther, Marjorie und Ada ist, was als Einzige nur Esther wirklich weiß.
Nebenbei zeichnet van der Pol ein Bild von Auswanderern, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Übersee eine bessere Zukunft ersehnten – und vielfach auch fanden. Von der Schwere des Neubeginns, vom nicht immer leichten Zusammenleben der Einheimischen und Zugereisten, von Vorurteilen, Sehnsüchten, Glücksmomenten und Enttäuschungen. Und das alles überzeugend und sehr fesselnd. Es gibt viele sentimentale Momente in diesem schönen Roman. Doch ist er weder kitschig noch klischeehaft, sondern einfach ein wunderbares Buch über Träume – auch wenn diese nicht immer wahr werden.
Literaturangaben:
VAN DER POL, MARIEKE: Brautflug. Aus dem Niederländischen von Kristina Kreuzer. Krüger Verlag, Frankfurt am Main 2009. 507 S., 19,95 €
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