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Frankreichs Unsterbliche sind zu wählerisch – Problem mit Nachwuchs

Frankreichs Geistesgrößen gehen mit ihrer eigenen Riege kritisch ins Gericht

© Die Berliner Literaturkritik, 22.02.08

 

Von Sabine Glaubitz

PARIS (BLK) – Wie wählerisch die Geistesgrößen Frankreichs mit ihrem Nachwuchs sind, haben sie erst wieder vor kurzem gezeigt. Die 34 auf Lebenszeit ernannten Mitglieder der ehrwürdigen Académie française konnten sich auf keinen der sieben Kandidaten einigen, die sich für einen Platz in der seit 1635 bestehenden Hüterin der französischen Sprache beworben haben. An großen Namen wie Michel Schneider oder Philippe de Saint-Robert fehlte es durchaus nicht. Insgesamt müssen die schwer zufriedenzustellenden Académie-Mitglieder sieben neue Kandidaten wählen, um die durch den Tod entstandenen Lücken in ihren Reihen zu schließen. Am vergangenen Montag (18. Februar 2008) starb mit dem 85-jährigen Romancier Alain Robbe-Grillet erst wieder ein Mitglied des renommierten Kulturgremiums.

Großes Kopfzerbrechen bereitet den „Unsterblichen“ auch die Wahl eines Nachfolgers für den im August vergangenen Jahres (2007) gestorbenen Erzbischof von Paris, Jean-Marie Lustiger. „Wir diskutieren darüber und unsere Ideen werden immer präziser. Namen kann ich aber keine nennen. Ich kann nur sagen, wen wir nicht wollen“, sagte die Sekretärin der Akademie, Hélène Carrère d'Encausse.

Frankreichs Geistesgrößen gehen mit ihrer eigenen Riege kritisch ins Gericht. Die einen sind zwar bekannt, aber nicht literarisch genug, die anderen gelten als zu politisch. Ex-Premierminister Edouard Balladur gehört zu den Kandidaten, die ungeduldig darauf warten, auserwählt zu werden. Wichtig für einen Bewerber ist neben literarischen und philosophischen Kenntnissen natürlich auch das gesellschaftliche Ansehen.

Andere hingegen zieren sich in den Rang der „Unsterblichen“ aufgenommen zu werden, wie zum Beispiel die Autoren Patrick Modiano und Milan Kundera. Denn Ehre und Prestige eines Sitzes müssen mit mühsamen Pflichtübungen erkauft werden. So müssen die Auserwählten bei ihrer Aufnahme genau die Werke ihres Vorgängers kennen, die sie in einer oft stundenlangen Rede würdigen. So will es die Tradition der von Kardinal Richelieu gegründeten Einrichtung, die zu den Ältesten Frankreichs gehört.

Ebenso traditionell sind auch der Gala-Anzug und Insignien wie Spitzhut und Degen. Die reich bestickte grüne Uniform, die einem Stierkämpfer-Anzug ähnelt, kostet knapp 15.000 Euro. Wer weniger tief in die Tasche greifen will, kann den Anzug eines verstorbenen Académicien günstig erwerben.

Jeden Donnerstag kommen die Geistesgrößen zu ihrer eigentlichen Mission zusammen: der Arbeit an der Herausgabe eines „Dudens“, der nur schleppend vorankommt. Denn unter den Akademikern sind einige, die schwänzen. Die 1987 gestorbene Marguerite Yourcenar, die erste Frau in dem mehrheitlichen Männerclub, glänzte bei den wöchentlichen Treffen durch Abwesenheit.

Auch die Schriftstellerin Assia Djebar, die in Amerika arbeitet und lebt, wohnt den Diskussionen darüber, ob „Walkman“, „Tie-Break“ oder „Hardware“ zum französischen Sprachgut gehören sollen oder nicht, nur sehr unregelmäßig bei.

Die Akademiker haben sich zwei Monate gegeben, um über neue Kandidaten für die freien Plätze zu unterscheiden. Zu wählerisch sollten sie jedoch nicht sein. Denn trotz der Ehre, die dieses Amt ziert, wirkt der elitäre Club mit seinen Ritualen für viele verknöchert und anachronistisch. Das gemeinsame Alter der „Unsterblichen“ liegt bei knapp 3.000 Jahren.


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