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Friedensgrenze und Stacheldraht

Pavel Kohout inszeniert einen haarsträubenden Polit-Krimi aus Prag

© Die Berliner Literaturkritik, 16.12.10

Von Volker Strebel

Der 1928 in Prag geborene Pavel Kohout hat sich international vor allem durch seine Theaterstücke einen Namen gemacht. Seine Romane bestechen die Leser durch ihre Phantasie und ihren Humor. Zugleich sind Kohouts Bücher immer auch von einem zeitgeschichtlich-dokumentarischen Charakter geprägt.

Vor allem der verlorene »Prager Frühling« des Jahres 1968 war für Pavel Kohout, der seit 1990 abwechselnd in Wien und Prag lebt, Anlass genug gewesen, sein bisheriges Leben unter die Lupe zu nehmen. Prägend für den jungen Kohout waren so verschiedene Zeitabschnitte wie die nazistische Okkupation, die erlebte Befreiung durch die siegreiche rote Armee, die Machtübernahme durch die Kommunisten 1948 sowie der folgende Stalinismus. Der junge Kohout hatte alles aus nächster Nähe miterlebt und begeistert an dem Aufbau des Sozialismus teilgenommen. In den 1960iger Jahren hatte er die Notwendigkeit von grundlegenden Reformen des politischen Systems begriffen, doch die Geschichte hat anders entschieden.

 In seinem neuesten Roman „Die Schlinge“ bietet Kohout noch einmal seine ganze schriftstellerische Meisterschaft auf, um einem brutalem Kapitel seiner tschechischen Heimat auf den Grund zu gehen, dem kommunistischen Umsturz im Prag des Jahres 1948 und des sich anschließenden Stalinismus.

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Perspektivisch geschickt aufgeteilt gelingt es Kohout, die totale Einkreisung des begeisterten Kommunisten Jan Soukup dramatisch zu inszenieren. Kein Überfall durch einen brutalen Gegner findet statt, gegen den man sich unter Umständen beherzt zur Wehr setzen könnte. Es sind die eigenen Genossen, die, gestützt auf den geradezu messianischen Glauben des Arbeiterjungen Jan Soukup, aus der Anonymität eines allumfassenden Machtapparats heraus in das Leben des jungen Karrierekommunisten Jan Soukup eingreifen um es schließlich völlig zu verändern.

 Zuweilen erinnert Jan Soukup, der nicht nur jüngstes Mitglied des ZK der kommunistischen Partei ist, sondern auch in deren auflagenstarken Tageszeitung revolutionäre Gedichte veröffentlicht, an den jungen Pavel Kohout. Auch er hatte als junger Mann einst sogar Stalin in seinen Versen besungen.

In atemberaubender Weise werden zwei Handlungsebenen dramatisch ineinander verzahnt. Zum einen steht die historische Vereinigung der beiden linken Parteien in der Tschechoslowakei an, die nach dem Zweiten Weltkrieg letztlich von Moskau forciert worden war. Zum anderen trifft es ausgerechnet Jan Soukup, den schwankenden Sozialdemokraten Felix Fischer unter ideologische Kontrolle zu bringen. Zünglein an der Waage ist die attraktive Schauspielerin Kamila Nostitzová, Ehefrau des deutlich älteren Fischer. Während des Zweiten Weltkriegs, als Fischer im Londoner Exil an der Seite von Edvard Beneš stand, hatten sich Jan und Kamila als Fremdarbeiter in Dresden ineinander verliebt. Gekannt hatten sie sich bereits aus Prag, da in politischen Diskussionen der junge, revolutionäre Jan nicht zuletzt aus Eifersucht den reiferen, bürgerlichen Professor hart angegangen hatte.

 „Die Schlinge“ hat kein Happy End. In diesem spannend wie subtil erzähltem Roman wird die ganze Perfidie eines politischen Denkens ausgebreitet, das der Eroberung der politischen Macht alles, aber auch wirklich alles opfert. Es scheint keinen Raum zu geben für ehrliche Überzeugungen und redliche Absichten. Jan Soukup fällt dem Regime in der Weise zum Opfer, dass er wider besseres Wissen über die brutalen Machenschaften der Kommunisten zum Chefredakteur ernannt wird. Ob sich so einem wie ihm, dem der Selbstmord seiner ehemaligen Geliebten Kamila „zwanzig Zeilen in den Kulturteil. Auf Seite sechs“ wert ist, in seinem späteren Leben die Möglichkeit erschließen wird, sich einer Bürgerrechtsbewegung wie der CHARTA 77 anzuschließen, scheint ausgeschlossen zu sein.

Literaturangabe:

KOHOUT, PAVEL. Die Schlinge. Aus dem Tschechischen von Aleš Půda unter Mitarbeit von Friederike Gürbig. Osburg Verlag, Berlin 2009. 302 S., 19,95 .


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