Von Axel Bussmer
Friedrich Ani macht alles richtig. Er ist seit Jahren einer der meist gelobten, prämierten und produktiven deutschsprachigen Krimiautoren. Friedrich Anis dritter Roman mit dem Ex-Mönch Polonius Fischer, „Totsein verjährt nicht“, ist auf dem zweiten Platz für den diesjährigen Deutschen Krimipreis. Seinen Durchbruch hatte er vor knapp zehn Jahren mit der zehnteiligen Serie um Tabor Süden von der Vermisstenstelle der Münchner Polizei. Ani gönnte Süden neben der Serie noch einige weitere Auftritte.
Mit dem Ex-Mönch Polonius Fischer, der jetzt wieder bei der Polizei arbeitet und dem nach einem Unfall erblindeten Jonas Vogel, der trotzdem nicht von den Mordermittlungen lassen kann, hat Ani schon seit einiger Zeit zwei neue Serien am Laufen, die mehr gemeinsam haben, als es auf den ersten Blick scheint.
In „Totsein verjährt nicht“ behauptet der sechzehnjährige Marcel Thalheim, er habe auf dem Marienplatz seine vor sechs Jahren spurlos verschwundene Schulkameradin Scarlett Peters gesehen. Kommissar Polonius Fischer glaubt dem Jungen. Er beginnt, ohne sich mit seinem Vorgesetzten oder seinen Kollegen abzusprechen, mit neuen Ermittlungen.
Zur gleichen Zeit liegt seine Freundin in einem künstlichen Koma. Sie wurde, wie schon fünf andere Taxifahrer vor ihr, überfallen. Einer wurde dabei erstochen. Jetzt hat die Polizei, dank eines glücklichen Zufalls, einen Verdächtigen.
Aber das ist nur ein Nebenkriegsschauplatz. Denn Polonius Fischer interessiert sich viel mehr für die verschwundene Scarlett Peters. Er befragt wieder Scarletts Familie.
In „Die Tat“ geht ebenfalls ein Serientäter in München um. Er erdrosselte bereits zwei blonde Frauen. Sein jüngstes Opfer ist die 38-jährige Sonja Piers. Kommissar Max Vogel und sein Vater, der blinde Ex-Kommissar Jonas Vogel, beginnen mit ihren Ermittlungen. Schnell stellen sie fest, dass sie von allen Familienmitgliedern belogen werden. Sie wollen die Wahrheit über diese Familie herausfinden. Der Serienmörder muss sich dagegen mit einem Platz auf der Empore begnügen.
In beiden Kriminalromanen stehen nicht die zielgerichteten Ermittlungen der Kommissare und ihrer Teams im Mittelpunkt. Beide Male könnte endlos über die löchrigen, sich teilweise sehr seltsam entwickelnden Plots und die aus dem Hut gezauberten Lösungen gemeckert werden. Beide Male könnte man sich über die seltsame Konstruktion der Kommissare und ihres Umfelds aufregen. Aber beide Male geht es Ani, wie auch in seinen anderen Romanen, nicht um herkömmliche Krimispannung, sondern um das Erkunden und Darstellen des Milieus der kleinen Leute.
So schreibt Ani in einer kurzen Vorbemerkung zu „Die Tat“: „In dieser Geschichte, so scheint mir, bin ich der Welt, von der ich glaube erzählen zu müssen, so nah wie selten. Die durch das Verbrechen aus ihrer Unscheinbarkeit gerissenen Figuren – Opfer, Hinterbliebene, Täter, Polizisten – sind ganz bei sich und bei mir.“
Diese Charakterstudien gelingen Ani auch sehr gut. Seine Ermittler setzen sich zu den Leuten und hören ihnen zu, wenn sie von ihrem Leben, ihren Träumen und ihrem Scheitern erzählen. Aber der krude Plot stört dann doch. Denn in „Totsein verjährt nicht“ sollte Fischer doch eigentlich bei seiner Freundin sitzen oder die Täter verfolgen und nicht einer Chimäre hinterherjagen. In „Die Tat“ sollte doch eigentlich die Jagd nach dem Serienmörder im Mittelpunkt stehen, und nicht das liebevolle Aufdröseln von Familienproblemen.
Literaturangaben:
ANI, FRIEDRICH: Die Tat. dtv, München 2010. 192 S., 7,95 €.
ANI, FRIEDRICH: Totsein verjährt nicht. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2009. 288 S., 19,90 €.
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