Von Gianna Maria Behrendt
Vier Personen umrunden die Welt. Im Zuge eines Wettbewerbs reisen sie entlang des Nullmeridians von Greenwich nach Greenwich. So abenteuerlich die Reise klingen mag, in „Vierzehn Knoten bis Greenwich“ beschreibt Olli Jalonen vor allem vier Menschen, die auf engem Raum miteinander leben. Der Roman handelt von Freundschaft und Liebe sowie von Veränderung. Für einen der Teilnehmer geht die Reise tragisch aus.
Der Autor Olli Jalonen wurde 1954 in Helsinki geboren, lebte und arbeitete jedoch viele Jahre in Schweden und Irland. Jalonen hat Sozialwissenschaften studiert und gilt als einer der bedeutendsten Autoren Finnlands. So erhielt er 1990 den renommierten Finlandia Prize. Olli Jalonen lebt heute mit seiner Familie in Hämeenlinna, Finnland. „Vierzehn Knoten bis Greenwich“ ist sein erstes Buch, das auf Deutsch erscheint. Übersetzt hat es Stefan Moster, dessen erster Roman „Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels“ 2009 ebenfalls im mare Verlag erschienen ist. Wie „Vierzehn Knoten bis Greenwich“ handelt auch Mosters Roman von einer weiten Reise.
Zur ersten Reise bricht Petr Järvi aus Finnland auf, um seine Studienfreunde Graham und dessen Frau Isla in Irland zu besuchen. Nach jahrelanger Funkstille hat Graham ihn eingeladen. Hintergrund der Einladung ist ein Wettbewerb, zu dem er Petr nicht lange überreden muss: Sie umrunden die Welt entlang des Nullmeridians. Dabei treten Petr und Graham gegen elf andere Teams an und dürfen sich nur zu Fuß oder mit dem Segelboot fortbewegen. Der Wettbewerb findet in Erinnerung an den englischen Wissenschaftler Edmond Halley statt. Halley unternahm Expeditionen im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert. Damit rechtfertig die Memorial Society, die den Wettbewerb organisiert, sämtliche undurchsichtige Regeln. Jegliche Kontaktaufnahme nach Außen ist verboten und voneinander entfernen dürfen sich Petr und Graham ebenso wenig. Beide erhalten eine Kordel um den Hals, die mit vierzehn verschiedenfarbigen Knoten versehen ist. Mittels dieser überwacht die Memorial Society, wo sich das Team befindet. Mit den Knoten müssen sie regelmäßig verifizieren, dass sie eine Station der Reise erreicht haben.
Grahams Frau Isla begleitet die beiden als Helferin und nach wenigen Wochen trifft Petrs Bruder Kari hinzu. Die Brüder sind sehr unterschiedlich. Während Petr in Cambridge studiert hat und als erfolgreicher Wissenschaftler arbeitet, ist Kari eher heimverbunden und bescheiden. Trotzdem entschließt sich Kari kurzerhand, das Team als zweiter Helfer zu begleiten. So organisieren er und Isla das Drumherum für Graham und Petr, die sich nur zu Fuß bewegen dürfen. Sie überspringen schwierige Etappen und transportieren das Gepäck mit dem Bus.
So verbringen Isla und Kari viel Zeit zu zweit. Dabei kommen sie sich näher. Dass Isla sich von ihrem Mann entfernt, scheint nicht verwunderlich. Graham tritt den übrigen Reisenden gegenüber dominant und herrschsüchtig auf. Er trifft alle Entscheidungen und „befiehlt“, was zu tun ist. Aufgrund seiner fachlichen Expertise respektieren die anderen seine Autorität. Graham nimmt den Wettbewerb sehr ernst und hält sich penibel an die Regeln. Diese erscheinen zunehmend dubios. Doch mit fortschreitender Reise verliert der Wettbewerb unter den Reisenden ohnehin an Bedeutung. Sie umrunden die Welt, aber auf dem kleinen Segelboot ist die Reise eher eintönig. So bemerkt man auch kaum, wie sich die Reisenden verändern. Doch als sie nach einem Jahr das Ziel erreichen, hat sich ihr Leben auf den Kopf gestellt.
„Vierzehn Knoten bis Greenwich“ verspricht ein spannendes Abenteuer, aber letztendlich ist die Handlung sehr dezimiert. Stattdessen ergeht sich Olli Jalonen in ausschweifenden Anekdoten und Erläuterungen. Seitenlang erklärt er technische und logistische Vorgänge. Dadurch kommt das, was zwischen den Menschen passiert zu kurz. Die Situation der vier Protagonisten birgt erzählerisches Potenzial. Man möchte gerne mehr über ihre Gefühle und Gedanken wissen, ihren Auseinandersetzungen beiwohnen und sie als Menschen erkennen. Jalonen bleibt dabei bedauerlicherweise auf einer sehr abstrakten Ebene: „Erst das Handeln bedeutet, aus dem Vorrat eine Auswahl zu treffen, und ein böses Wort an einen anderen bedeutet, dass man schlechte Momente in sich nach außen verlagert, oder es versucht, denn sie lassen sich nie verlagern, sondern wachsen und erstarren und werden zu Schutt, den man dann auch von außen sieht und der um einen herum einen Kreis zieht, der die Aura bildet, die man für die anderen hat.“ Solche Absätze klingen nicht nur pathetisch, sie sind auch unpersönlich.
Drei verschiedene Quellen erzählen den Roman: Die trockenen Eintragungen aus dem Logbuch, meist von Graham, die persönlichen Notizen Petrs und die Ergänzungen Karis, die den größten Teil ausmachen. Das Durcheinander der Erzählmodi ist gewöhnungsbedürftig, aber ausreichend verständlich. Zwischendurch tauchen Anmerkungen an eine unbekannte Maaria auf. Am Ende erst stellt sich heraus, was es mit ihnen auf sich hat. Andere Fragen bleiben ungeklärt, vor allem hinsichtlich des ominösen Wettbewerbs. Dieser ist vollkommen in den Hintergrund getreten. Stattdessen zeigt Jalonen, dass es weiter geht. Tod und Leben lösen einander ab, die Menschen verändern sich, doch die Welt dreht sich immer weiter.
Literaturangabe:
JALONEN, OLLI: Vierzehn Knoten bis Greenwich. mare Verlag, Hamburg 2010. 464 S., 22 €.
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