Von Anna Schneider
NÜRNBERG (BLK) – Seit gut vier Jahren lebt Michael Zirk hauptsächlich vom Geschichtenerzählen – als Betreiber einer der wenigen deutschen Erzählbühnen. Geplant war das nicht. Sprache ist zwar Zirks Steckenpferd, aber zum Erzählen kam der 49-Jährige auf Umwegen. Nach seinem Studium landete der promovierte Literatur- und Sprachwissenschaftler zunächst als Dramaturg beim Nürnberger Kindertheater Mummpitz. Zehn Jahre lang war er dort aktiv. Ende der 90er wurden die Budgets immer knapper. „Wir konnten maximal noch Stücke bis zu drei Personen besetzen. Da weniger ausgespielt werden konnte, musste eben mehr erzählt werden“, berichtet Zirk.
Aus den Trainingsstunden für die Schauspieler entstand das erste Erzählprogramm. Das „Nebenprodukt“ kam gut an, und Michael Zirk entdeckte seine Leidenschaft für das Erzählen. Gemeinsam mit Martin Ellrodt rief er die Reihe „TausendundeineNacht“ ins Leben. Ziel des Projektes mit rund 27 Erzählern aus dem Raum Nürnberg war es, 1001 Nächte durchzuerzählen. „Wir sind allerdings nur bis 559 oder 560 gekommen. Es lief über eineinhalb Jahre auch an Feiertagen, ehe wir aus Kostengründen aufgeben mussten“, erzählt Zirk.
Um das Erzählen auf professionelle Füße zu stellen, gründete Zirk gemeinsam mit Martin Ellrodt und Ute Weidinger die „GeschichtenErzählKunstKompanie“ (GEKKO). Im Jahr 2003 öffnete zunächst das „Haus der Geschichten“ im Gebäude der Nürnberger Stadtbibliothek seine Pforten. Seit Dezember 2006 gibt es nun die „ErzählBühne“ im ehemaligen Meistersinger-Konservatorium.
Zirks Repertoire umfasst weit über 100 Geschichten. Griechische Mythen, orientalische Märchen und Klassiker wie Schillers Räuber stehen auf dem Programm. Gemeinsam mit GEKKO gelingen sogar Mammut-Erzählprojekte wie „Nibelungen“ oder „Geschichten aus der Edda“. Alle zwei Jahre im Januar gibt es das Erzählkunstfestival „Zauberwort“ mit Erzählern aus ganz Deutschland. Daneben unterrichtet Zirk Deutsch als Fremdsprache und ist Spanisch-Übersetzer.
„Menschen brauchen das Miteinandersprechen. Wir sind in Deutschland sehr auf Schriftlichkeit fixiert“, hat er festgestellt. Zusammen mit der starken Medienpräsenz schränke dies die Vorstellungskraft und das Sprachvermögen ein. GEKKO bietet deshalb auch Schulprojekte an. Mit Erzähltechniken und spielerischen Mitteln sollen Kinder Spaß an der Sprache bekommen. Leider fehle an Schulen oft das Geld für solche Förderung. Dabei gebe es zunehmend Probleme bei Schülern mit Migrationshintergrund. „Die sind häufig nicht mehr bilingual, sondern halbsprachlich. Das ist der neue Terminus, weil sie weder ordentlich Deutsch noch die Muttersprache können“, erklärt Zirk.
Erzählen ist nach seiner Ansicht noch lange nicht in allen Köpfen als Kunstform angekommen. Doch die Fangemeinde steigt langsam, aber beständig. „Man kann sagen, es gibt eine Schicht, die die Unterhaltung, die im Fernsehen oder Radio geboten ist, als immer bodenloser empfindet. Die kommen gern auf unsere Form zurück.“ Der große Vorteil sei, dass beim Erzählen die eigene Fantasie mitspielen dürfe, betont Zirk. „Der Unterschied zum Film ist, dass sie beim Erzählen eben selbst aktives Kopfkino betreiben.“
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