Von Ingo Senft-Werner
Der Sudan zählt zu den Ländern, deren Namen keine guten Assoziationen wecken. Seit Jahrzehnten ist er vom Bürgerkrieg zerrissen, Rückzugsstation für militante Islamisten, in den Augen des scheidenden amerikanischen Präsidenten Georg W. Bush ein Reich des Bösen. Vor rund 120 Jahren stellte sich die Lage ganz ähnlich dar. Damals standen sich das britische Empire und die Truppen des Kalifen Mohammed Ahmed gegenüber. Den Verlauf dieser Auseinandersetzung brachte der damals 24 Jahre alte Winston Churchill – später englischer Premierminister – zu Papier. Nicht zuletzt wegen der Parallelen zur aktuellen politischen Lage hat der Eichborn Verlag das Werk unter dem Titel „Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi“ in seine Reihe „Die andere Bibliothek“ aufgenommen.
Churchill ist nicht irgendein schreibender Politiker, er ist der einzige seiner Zunft, der den Literaturnobelpreis erhielt: im Jahr 1953 für „seine Meisterschaft in der historischen und biographischen Darstellung“. Sie deutet sich bereits in seinem Frühwerk an, gepaart mit einer lyrischen Ader. So notiert er nach einem bewegenden Sonnenuntergang: „In einem Land, dessen Schönheit nur für einen Augenblick aufblitzt, während sein Antlitz trostlos und sein Charakter von einer den Menschen feindlichen Strenge ist, müsste nicht erst noch der Krieg hinzukommen, um uns melancholisch zu stimmen.“
Mit Formulierlust und erfrischender Unvoreingenommenheit beschreibt der junge Offizier das fremde Land und den grausamen Krieg. Dabei präsentiert er sich als kritischer politischer Kopf. „Fanatismus ist kein Kriegsgrund. Er ist das Vehikel, das Naturvölkern kämpfen hilft“, analysiert er im Blick auf Mohammed Ahmed, genannt Mahdi. Dieser rief 1881 zum Heiligen Krieg auf, einte für kurze Zeit sein Land und vertrieb die englischen Besatzer.
Das Imperium schlug jedoch 1896 zurück. Mit moderner Waffentechnik, vor allem mit Maschinengewehren, metzelte die englisch-ägyptische Armee die meist nur mit dem Säbel bewaffneten Aufständischen nieder. „Einem Feind gegenüber, der kein Mittel hatte, darauf zu antworten, schien es ein unfairer Vorteil, so grausam zuzuschlagen.“ Der Krieg rechtfertigt für Churchill viele Mittel, aber wohl ist ihm dabei nicht. Bewegend seine Beschreibung des Schlachtfeldes, auf dem noch Tage nach dem Kampf verletzte Derwische elend verdursten. Der junge Mann wendet sich ab - ohne Genugtuung für die geglückte Rache. „Niemand sollte den Kelch bis zum Grund leeren wollen. Der Bodensatz kann sehr übel schmecken.“
Churchill geht hart mit seinen Landsleuten ins Gericht und schont auch den gefeierten Oberbefehlshaber Herbert Kitchener nicht. Dessen Berichte über die Schonung der Gegner – Schwindel. Das Schleifen des Mahdi-Grabmals und die Schändung des Leichnams – unwürdig. „Eine Schandtat, angesichts welcher der wahre Christ genauso wie der Philosoph nur seinen Abscheu ausdrücken kann.“
Nicht zuletzt wegen dieser widerborstigen Passagen ist das Buch sehr lesenswert. Allerdings werfen sie die Frage auf, wieso der Verlag den ursprünglichen Titel „The River War“ (Der Fluss-Krieg) mit „Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi“ übersetzt hat. Davon ist bei Churchill nicht die Rede. Offensichtlich wollte Übersetzer Georg Brunold aktuelle Assoziationen wecken. So gibt er im Vorwort die Denkrichtung vor: „Seit dem Sturz der Taliban in Kabul verfügt der militante Teil der islamisch-fundamentalistischen Weltbewegung wiederum nur über eine einzige staatliche Bastion: Wie schon zur Zeit des Mahdi ist das der Sudan.“ Churchill hilft – ohne Scheuklappen – dieses Land besser zu verstehen.
Literaturangaben:
CHURCHILL, WINSTON S.: Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi. Herausgegeben und übersetzt von Georg Brunold. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2008. 440 S., 34 €.
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