Evers, Horst: Für Eile fehlt mir die Zeit, Rowohlt, Berlin 2011, 160 S., 14,95 €, ISBN 978-3-87134-682-8.
Von Antonia Lange
Wenn er Freunde besucht, versteckt er seine ausgemusterten Töpfe bei ihnen im Schrank. Seiner Tochter macht er kein Frühstück und behauptet, sie dadurch auf das Leben vorzubereiten. Trotzdem mag man Horst Evers irgendwie. Mit feiner Ironie nimmt der schnoddrige Erzähler in „Für Eile fehlt mir die Zeit” nämlich nicht nur seine Mitmenschen, sondern vor allem sich selbst aufs Korn. So kann der Leser gar nicht anders, als den faulen und bisweilen verantwortungslosen Antihelden ins Herz zu schließen.
„Für Eile fehlt mir die Zeit” ist das sechste Buch des 43-jährigen Wahlberliners, der in der Hauptstadt auch als Kabarettist bekannt ist. Geboren in Evershorst bei Diepholz kam er Ende der 80er Jahre in die Hauptstadt und gab sich den Künstlernamen Horst Evers. Eigentlich heißt er Gerd Winter.
In seinem jüngsten Werk geht es - der Titel lässt es bereits ahnen - vor allem um das Thema Zeit. Mit kindlicher Bewunderung beschreibt der Erzähler darin etwa den Prototyp eines modernen Bahnreisenden, der gleichzeitig telefoniert, Emails checkt, isst und Zeitungen durchsieht. Evers befindet: „Für das, was dieser Mann allein während des Einsteigens in einen Zug macht, brauche ich ungefähr anderthalb Wochen.”
Auf 160 Seiten kommen verspätete Busse ebenso vor wie zeitsparende Haushaltsgeräte und die Tücken neuer Medien. Bisweilen wird der Leser dabei an Evers Vorgängerwerk „Mein Leben als Suchmaschine” erinnert. Während sich der Erzähler darin mit einer vollelektronischen Waschmaschine beschäftigt, geht es in seinem jüngsten Werk um programmierbare Kaffeemaschinen. Auch mit Episoden zum Thema Google knüpft Evers deutlich an bereits Dagewesenes an.
Amüsant ist seine altkluge Kritik an der Suchmaschine trotzdem. „Google tut nur immer so schlau”, schreibt Evers. Auf die Frage „Was wäre passiert, wenn Kolumbus den Seeweg nach Indien gegoogelt hätte?” habe die Suchmaschine keine Antwort gehabt und «stattdessen auf Google verwiesen”. Überhaupt hatte Horst Evers einen schlechten Start «in dieses Zeitalter des Internets», wie er schreibt. Als er zum ersten Mal seinen Namen googelte, schlug ihm die Suchmaschine: „worst ever?” vor.
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Evers Geschichten machen Spaß, weil sie mitten aus dem Leben gegriffen sind. Stellenweise bewegt er sich jedoch an der Grenze zum Klamauk etwa wenn er sich bei einem Arztbesuch vorstellt, dass ihm „plötzlich Feenflügel aus der Nase wachsen”.
Punkten kann der Wahlberliner vor allem mit Lokalkolorit. Wenn er die Fahrgäste der Hauptstadt-Busse oder Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin beschreibt, zeigt Evers mit spitzer Feder die Lebenswirklichkeit der Berliner auf. „Früher hat man Harald Juhnke betrunken gemacht, wenn man in Berlin eine Schlagzeile brauchte», schreibt er, „heute hält man Thilo Sarrazin ein Mikrophon hin.”