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Gebärneid mit Wiedererkennungswert beim Berliner Jochen Schmidt

Jochen Schmidts „Meine wichtigsten Körperfunktionen“

Von: KAY ZIEGENBALG - © Die Berliner Literaturkritik, 23.01.08

 

„Ich bin der, der seinen Müll in der Hand behält, bis er einen Papierkorb findet.“ Wenn man hier einmal das Zitieren anfängt, wird es kein Ende mit dem Zitieren geben. Und am Ende, das stattdessen kommt, nämlich dem einer verdammt langen Rezension in Gänsefüsschen, werden vielleicht Lizenzstreitigkeiten stehen. Nein. Es muss auch so plausibel werden, dass der Lesebühnenveteran Jochen Schmidt und der C.H. Beck Verlag eine gute Idee hatten.

Eine gute Idee, unter dem Titel „Meine wichtigsten Körperfunktionen“ 32 humorvolle Kurztexte zu veröffentlichen. Sie handeln von Ängstlichkeit, Partyaphasie, Vergesslichkeit, Inkompetenz etc. pp. „Jochen allein zu Haus“ – die letzte Geschichte – stellt den eigentlichen Grund für alles Vorherige zur Schau. Hier macht sich einer gnadenlos lustig über sich und nur auf Kosten seiner selbst. Aber das kann ganz schnell nach hinten losgehen. Dafür gibt es einen einfachen Grund, der sich im Nachhinein verkompliziert, bis der kleine Umstand einen nicht zu vernachlässigenden Effekt produziert. Im Stillen gelesen, ist es nämlich eher langweilig. Diese Erfahrung ist ähnlich „allein zu Haus“, wie der Problemkandidat und das zieht ehrlich nur runter. Man ist hin und her gerissen zwischen Lachen und Heulen.

Dieses Ich, es muss ja nicht tatsächlich mit dem Autor identifiziert werden, ist einsam, übel gelaunt, kränklich, pflegt einen elitären Humor und lässt diese Eigenschaften mit Entscheidungsschwäche, Hilfsbereitschaft, Grübelei und einem ernsten Gebärneid erst so richtig aufblühen. Kurzum: Es ist ein großartiger Mensch! Ja, es soll zwar komisch sein. Aber eigentlich muss dem Vorwort wirklich recht gegeben werden: „Ich hoffe, dass sich meine Leser nicht mit mir identifizieren können. Sie sollen es einmal besser haben, als ich.“ Aber so bald sich Zuhörer finden (Ja, dann strengen Sie sich an!) wird man sich nach dem Mehrheitsprinzip für das Lachen entscheiden.

Und – so klischeehaft das auch klingt – bald findet jeder etwas von sich wieder. Gut, der Ossi findet sich vielleicht ein- bis dreimal mehr wieder als der Wessi. Der Wiedererkennungswert ist jedenfalls groß, denn Schmidt schlägt bevorzugt in großen Bögen um sich und lässt nichts aus. Ach, und halten Sie den Kreis etwas kleiner, sonst kopieren Sie eventuell noch das Original und bei Gruppen ab 20 Mann kann das auch wieder Lizenzstreitigkeiten geben. Vermutlich ist davon auszugehen, dass der Vorlesekreis rein rechtlich einer analogen Tauschbörse gleichkommt. Person 2 Person oder so was.

Was weiß man von Jochen Schmidt? Er las 2007 bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt, liest jede Woche auf der „Chaussee der Enthusiasten“, wo er zuletzt mit serieller Prosa aufwartete. Dabei nahm er sich jedes siebte Wort eines Buchstabens aus dem Duden und spann Geschichten drumrum – natürlich wieder komisch. Also überwiegend geht es doch ums Lachen. Ja, davon ist auszugehen und davon, dass diesen Texten eine deutliche – wie soll man es nennen – Täglichkeit innewohnt.

Literaturangaben:
SCHMIDT, JOCHEN: Meine wichtigsten Körperfunktionen. C.H. Beck Verlag, München 2007. 144 S., 16 €.

Verlag

Kay Ziegenbalg arbeitet als freier Journalist und Buchkritiker für dieses Literatur-Magazin


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