ZÜRICH (BLK) — Im Januar 2009 ist im Unionsverlag Laurent Quintreaus Roman „Und morgen bin ich dran. Das Meeting“.
Klappentext: Elf Uhr, es ist so weit, das Meeting kann beginnen. Am Tisch elf Manager eines internationalen Unternehmens. Rorty, der Vorstandsvorsitzende, präsentiert Zahlen, Budgets und Umstrukturierungspläne, doch die Gedanken seiner Topleute schweifen nur allzu gern ab. In elf inneren Monologen werden intimste Einblicke gewährt: Während sich die Meyer mit Tranquilizern ruhig stellt, sieht sich de Vals schon auf dem Chefsessel, der lamentierende Tissier wird von seinen Hämorrhoiden, Choleriker Stoeffer gar von Mordgelüsten geplagt. So verschieden ihre Fantasien auch sind — in ihrer Hoffnung auf Karriere und in ihrer Panik vor der Entlassung sind sie sich alle gleich. Laurent Quintreau legt ein bissig-amüsantes Debüt über das Innenleben der gegenwärtigen Businesswelt vor.
Laurent Quintreau ist Artdirector und Texter im französischen Werbeunternehmen PUBLICIS und arbeitet daneben in der Führung der Gewerkschaft CFDT im Sektor New Economy. Ferner schreibt er Theaterstücke und publiziert regelmäßig in verschiedenen Zeitschriften. Er war Mitbegründer der einflussreichen Avantgardezeitschrift Perpendiculaire. „Und morgen bin ich dran. Das Meeting“ ist sein erster Roman, für den er mit dem Prix du Premier Roman Les Mots Doubs, dem Preis für das beste französischsprachige Debüt, ausgezeichnet wurde. (dpa/köh/mül)
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Autsch, meine Hämorrhoiden, sobald ich mich bewege, machen sie sich bemerkbar, einfach unerträglich, dieser Bluthochdruck macht mir auch Sorgen, der Arzt hat sich klar ausgedrückt, ich soll abnehmen, Diät machen, mich bewegen, dabei bin ich nie besonders sportlich gewesen, schwierig, schwierig, wenn ich dann auch noch auf Wasser und trocken Brot gesetzt werde, kann ich mir gleich die Kugel geben, Chantal mit einem Karateka und Julia, die ihre untergeordnete Stellung benutzt, um mich privat anzugreifen, was für ein Trauerspiel, ich hatte eine Frau und eine Geliebte, und jetzt habe ich zwei Prozesse am Hals, autsch, schon wieder diese Plagegeister, ich sitze unbequem, diese Stühle sind nicht für Leute mit schwachen Venen gemacht, Rorty hat offensichtlich nicht mit solchen Problemen zu kämpfen, Rorty ist schlank und sportlich, für Rorty ist jedes überflüssige Gramm eines zu viel, wenn er umstrukturiert, dann nur, weil er Arbeitsplätze erhalten will, ohne dabei die Rentabilität des Unternehmens zu gefährden, man muss einen Ausgleich zwischen Arbeit und Kapital finden, wie schon der gute alte Marx sagte, nicht wahr, Pierre-Henry, er winkt mir vielsagend zu, antworte mit einem Lächeln, vielleicht etwas zu breit geraten, als hätte sich mein Mund zu einer affenartigen Fratze verzogen, werde dieses Lächeln kaum mehr los, was sich dieser Rorty alles merkt, kann sich erinnern, dass ich eine Doktorarbeit in Geschichte geschrieben habe, Die revolutionären Ideen bei Marx und Proudhon, muss ihm kurz davon erzählt haben, als er mich gleich nach seinem Antritt hier in sein Büro bestellt hat, Marx und Proudhon, die zwei verfeindeten Brüder des Sozialismus, der erste Angriff kam von Proudhon, wenn ich mich recht erinnere, kritisierte der Mann aus Besançon in Philosophie des Elends ebenso sehr den bürgerlichen Spiritualismus seiner Zeit wie den dialektischen Materialismus, Marx konterte sofort mit seinem Elend der Philosophie, Mama und Papa sind zur Verteidigung gekommen, ich hatte mit „sehr gut“ bestanden, sie waren so stolz auf mich gewesen, fünfundzwanzig Jahre her, diese glückliche Zeit, da war ich noch frei und hatte weder Schulden noch Prozesse am Hals.
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Literaturangabe: QUINTREAU, LAURENT: Und morgen bin ich dran. Das Meeting. Aus dem Französischen von Oliver Ilan Schulz. Unionsverlag, Zürich 2009. 192 S., 16,90 €.
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