MÜNCHEN (BLK) – Der Verlag Lyrikedition 2000 hat Jürgen Brôcans neuen Gedichtband Ortskenntnis veröffentlicht. Darin enthalten seien die Gedichte aus den Jahren 1996 bis 2006, gibt der Verlag bekannt.
Klappentext: Jürgen Brôcan schreibt Gedichte, die beide Augen öffnen für alles, was uns umgibt. Vor allem in seinen Naturbeschreibungen wird die Wahrnehmung für besondere Atmosphären geschärft: stille Höhepunkte des Lebens. In seinem Nachwort schreibt Jan Kuhlbrodt treffend: „Texte ohne Geschmacksverstärker, Gedichte, die sich am Wahrnehmbaren abarbeiten, die in Gedanken, in Versen das Sichtbare zeigen. Jürgen Brôcan ist Phänomenologe.“ Eine ganze Palette von Perspektiven in einer stark differenzierten und sehr kenntnisreichen Sprache: „Der Gedichtkörper ein Energieträger, ein Ganzleiter.“
Jürgen Brôcan, geboren 1965 in Göttingen, studierte dort Germanistik und Europäische Ethnologie. Nach mehreren Künstlerbüchern erschienen in limitierter Auflage die Gedichtbände „Die Haut hinter den Worten“ (2000), „Frühgrau, Kranengesang“ (2001) und „Fakten & Wunder“ (2005). Für seine Essays erhielt er 2007 ein Stipendium der Stiftung Niedersachsen. Brôcan ist Literaturkritiker, meist für die NZZ, und Übersetzer zahlreicher Autoren aus dem Englischen und Französischen. Er lebt in Dortmund. (tan/wip)
Leseprobe:
© Lyrikedition 2000 ©
(»All That Glory In The Heavens To Glean«)
verfolgte, vom Morgen an, einen Faden,
der durch die Dinge läuft, und sah dann,
hörte ihn und roch ihn, unter klargespülten
Himmeln, in der Nachbarschaft von Klematiszotteln,
Patchworkstraßen, Wasserrinnseln:
er kam nicht in Blöcken, war ein Puls
aus der Hintergrundstille, Nachbeben des Schlafs:
der Tag, zutraulich wie eine Hundeschnauze:
Vögel hocken auf dem Windgeländer,
an mörtelnarbigen Mauern lehnt das Licht,
die gestapelten Farben erscheinen am Bindestrich
des Horizonts: Steine, Bäume laden sich auf
mit augenblickschöner Ewigkeit: und ging
weiter, Zaungast unter diesen Zaunresten,
Atemwege; Lungenäste; Speichel
Natur / Gedicht
hinterm Stacheldrahtzaun ein Eckchen Pappeln:
ihre weißen Flusen stoben wie Schneewehen
im Sommer: du sagst:
unsere älteren Mitbürger,
sie standen hier bevor die Schlote
des Spanplattenwerks ihre Höhe erreicht hatten:
fächern Licht aus dem tonnenschweren Himmel,
fächeln es zu; aleatorischer Wind klimpert
im Geäst; auf dünneren
Erdschichten, als Wolkenkratzer
oder Eisenkräne brauchen,
finden sie Halt, ein idealer Landeplatz für Vögel;
Bäume sehen — wie die Toten der Chachapoya —
von Felsenhängen ins Land: ich dachte an
Zypressen, zeigefingerschlank,
oder Araukarien, deren
versteinerter Stamm aus Triasmeeren
dem in Vorgärten bis auf die Maserlinien gleicht.
© Lyrikedition 2000 ©
Literaturangaben:
BROCAN, JÜRGEN: Ortskenntnis. Lyrikedition 2000. München 2008. 152 S., 16,50 €.
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