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Gegen den Strom - und bis an die Grenze

Warum eine mutige Wortwahl manchmal nützlich sein kann

© Die Berliner Literaturkritik, 05.12.09

Von Frederike Frei

Ich gehe gern an Grenzen, meine Landsleute bleiben aber lieber davor stehen. Das kenne ich schon und leide auch drunter, denn in den meisten Diskussionen habe ich unrecht aufgrund meiner zu drastischen Wortwahl. Schon ist damit das ganze Argument, das ich gerade groß vorführen wollte, gestorben.

Nur gestern hatte ich Erfolg damit, was mir leider nichts nutzte. Im Radio sollte man raten, welcher Begriff sich hinter einer Stimme verbirgt. Sie provozierte uns Hörer und zum Schluss, als sie auch noch die Nachbarn erwähnte, war mir klar, was gemeint war. Doch mein Handy war zuhause, und ich fuhr mitten im Verkehr auf regennasser Straße.

Der erste Anrufer lag falsch. Der zweite nannte den Begriff, der mir beim ersten Mitdenken noch durch den Kopf gegangen war. Doch am Ende war ich ja zu einem drastischeren gelang. Sein Begriff weise nur in die richtige Richtung, meinte der Moderator. Genau, man musste weitergehen. Stolz war ich auf mich wie eine Schneekönigin.

Nun riefen der Reihe nach acht Leute an - und jeder hatte unrecht. Ich rutschte auf meinem Autositz hin und her. Fast hätte ich den Wagen gestoppt, einen Fußgänger überfallen und den richtigen Begriff mit dessen Handy durchtelefoniert. Es hätte zum Begriff gepasst. Wenn sie „Revolution“ raten sollen, dann fällt den Deutschen alles Mögliche ein: „Zeit“ und „Pflicht“, „Initiative“ und „Geduld“, „Vorhaben“ und „Aufgabe“, „Ziel“ und …

Jetzt weiß ich wenigstens, wo genau ich stehe (so wie die französischen Nachbarn zu Deutschland stehen): immer ein bisschen daneben.

Frederike Frei ist Autorin und Literaturveranstalterin. Sie lebt in Potsdam. (www.frederikefrei.de)


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