HAMBURG/WEIMAR (BLK) – Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls erhalten drei Schriftsteller aus dem Osten den Deutschen Nationalpreis 2009. Die aus drei Generationen stammenden Autoren Erich Loest (83, „Nikolaikirche“), Monika Maron (68, „Flugasche“) und Uwe Tellkamp (40, „Der Turm“) symbolisierten persönlich und mit ihrem literarischen Schaffen die mehrfache Gebrochenheit der deutschen Geschichte, teilte die Stiftung am Mittwoch in Hamburg mit. „Diese persönlichen Zeugnisse der erlebten Teilung Deutschlands wirken gegen ein Vergessen ebenso wie gegen eine nostalgische Verklärung der untergegangenen DDR“, hieß es. Die mit 60 000 Euro dotierte Auszeichnung wird am 16. Juni im Deutschen Nationaltheater in Weimar übergeben.
Erich Loest, 1926 in Mittweida geboren, zählt zu den bedeutenden Autoren der Nachkriegszeit in Deutschland – sowohl in der DDR als in der Bundesrepublik. Unter dem Eindruck des Nationalsozialismus wurde er 1947 Mitglied der SED und Vorsitzender des Schriftstellerverbandes Leipzig. Nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953 entfremdete er sich der Partei und wurde 1957 wegen „konterrevolutionärer Gruppenbildung“ zu siebeneinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. 1981 ging er in die Bundesrepublik, heute lebt er in Leipzig. In Romanen und Erzählungen wie „Nikolaikirche“, „Durch die Erde ein Riß“ und „Löwenstadt“ setzt er sich mit der jüngeren deutschen Geschichte auseinander.
Monika Maron wurde 1941 in Berlin geboren. In ihren Romanen wie „Flugasche“, „Stille Zeile 6“, „Die Überläuferin“ und „Pawels Briefe“ behandelte sie die Widersprüchlichkeiten des totalitären DDR-Systems. Aufgewachsen im kommunistischen Umfeld ihrer Mutter und ihres Stiefvaters Maron, der von 1955 bis 1963 DDR-Innenminister war, trat die Theaterwissenschaftlerin und Journalistin früh in die SED ein, um nach Konflikten 1978 auszutreten. Bemühungen der Staatssicherheit, Maron 1976 als Mitarbeiterin zu gewinnen, scheiterten. Nach Druckverbot und beruflicher Perspektivlosigkeit siedelte sie 1988 nach Hamburg über und lebt jetzt in Berlin.
Uwe Tellkamp, 1968 in Dresden geboren, ist Arzt und Schriftsteller und lebt in Freiburg. Nach dem Abitur war er Soldat der Nationalen Volksarmee NVA, wo er wegen des Besitzes von Texten von Erasmus von Rotterdam, westdeutscher Autoren und Wolf Biermanns „politischer Diversantentätigkeit“ bezichtigt wurde. Sein Studienplatz wurde gestrichen. Nach der Wiedervereinigung studierte er Medizin in Leipzig, Dresden und New York. 2008 wurde sein Roman „Der Turm“ veröffentlicht, in dem er ein präzises Panorama des Dresdner Bildungsbürgertums in der Endzeit der DDR beschreibt.
„Wir stellen heute fest, dass auch 20 Jahre nach dem Mauerfall die innere Einheit Deutschlands weiterer Anstrengungen bedarf. Die Preisträger fördern in vorbildlicher Weise unser gemeinsames Geschichtsbewusstsein und ein verständnisvolles Wir-Gefühl. Damit haben sie sich um die Ziele der Deutschen Nationalstiftung in besonderer Weise verdient gemacht“, sagte Prof. Kurt Biedenkopf, Präsident des Senats der Deutschen Nationalstiftung. „Mangelhafte Geschichtskenntnisse führen entweder zu pauschaler Missachtung oder aber Verklärung des Lebens früherer Generationen“, sagte der Vorstandsvorsitzende, Prof. Richard Schröder.
Die Deutsche Nationalstiftung wurde 1993 mit Blick auf die Wiedervereinigung Deutschlands vom ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) gemeinsam mit Hermann Josef Abs, Gerd Bucerius, Kurt Körber und Michael Otto in Weimar gegründet. Die Stiftung will dazu beitragen, die Fremdheit zwischen Ost und West in Deutschland zu überwinden und die nationale Identität der Deutschen in einem vereinten Europa zu fördern. (dpa/mon)