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Gelassener Europäer

Dänen-Preis für Enzensberger

© Die Berliner Literaturkritik, 02.02.10

Von Thomas Borchert

KOPENHAGEN (BLK) - Wie ein Meteoriteneinschlag sei der dänische Sonning-Preis doch ziemlich überraschend auf ihn „runtergekommen“, hat Hans Magnus Enzensberger vor knapp einem halben Jahr gesagt. Zur Verleihung des wichtigsten Kulturpreises der Dänen am Dienstag in Kopenhagen präsentierte sich der inzwischen 80 Jahre alte Schriftsteller gewohnt ironisch. Aus Norwegen, wo er in den 50er und 60er Jahren längere Zeit lebte, habe er für Aufmerksamkeit um seine
Person ein „gutes Sprichwort“ mitgenommen, teilte er in „Berlingske Tidende“ mit: „Ich nehme es mit vernichtender Gelassenheit.“

„Für seine verdienstvolle Arbeit zum Nutzen der europäischen Kultur“ hat die Kopenhagener Universität Enzensberger den mit einer Million Kronen (134.000 Euro) dotierten Preis zuerkannt. Der am 11. November 1929 im bayrischen Kaufbeuren geborene Autor reiht sich damit in einen erlauchten Kreis von Preisträgern ein. Als erster wurde 1950 der frühere britische Premierminister Winston Churchill ausgezeichnet. Danach folgten als deutschsprachige Preisträger unter anderem der Theologe und Arzt Albert Schweitzer (1959), der Theologe Karl Barth (1963), die Publizistin Hannah Arendt (1975), der Philosoph Jürgen Habermas (1987) und 1996 Enzensbergers Kollege Günter Grass.

Diese Reihe fällt so bunt aus wie Enzensbergers Werdegang: Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Dolmetscher und Barmann der Royal Air Force, später als Radio-Redakteur, Dramatiker, Lektor und Dozent. Enzensberger war früh Mitglied der legendären „Gruppe 47“ und bekam schon 1963 den Büchnerpreis. 1965 wurde er als Herausgeber des nicht minder legendären „Kursbuch“ zu einer wichtigen Stimme der 68er-Revolte.

Später grenzte sich der Münchner nachdrücklich von dieser Bewegung sowie deren Nachfolgern ab und profilierte sich als scharfer Kritiker „linker Gemütlichkeit“, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ Ende der 1980er Jahre schrieb. Für viele zum nicht unbedingt positiven Symbol von Enzensbergers gern provozierend formulierten Ansichten eines Einzelgängers wurde seine Rechtfertigung der Irak-Invasion 2003. Hier stellte er den Diktator Saddam Hussein mit Hitler auf eine Stufe.

Enzensberger ist auch mit 80 literarisch unermüdlich in vielen Genres aktiv. 2008 kam „Hammerstein oder der Eigensinn“ über einen preußischen Karriere-General heraus, ein Mix aus historischen Fakten, fiktionalen Elementen und essayistischen Reflexionen. 2004 veröffentlichte er unter dem Pseudonym Andreas Thalmayr das Buch „Lyrik nervt! Erste Hilfe für gestresste Leser“. Enzensberger schreibt Lyrik, Kinderbücher, Sachbücher über Mathematik. Und er wusste im Interview mit „Berlingske Tidende“ auch, wie er „Marsbewohnern“ historische Veränderungen in Deutschland nahebringen könnte: „Unsere Armee ist jetzt ungefähr so wie die dänische. Sie könnte überhaupt keinen Krieg führen, weil die Bevölkerung nicht mitmachen würde.“ 

 

 

 

 


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