Diese Rezension erschien erstmals am 5. Mai 2011 in diesem Magazin.
Spangenberg, Klaus Dieter: Josef Block – Maler der Münchner und Berliner Secession, Centaurus Verlag, Freiburg 2010, 193 S., broschiert, 18,90 €.
Maler von Welt, Johann Heinrich Schönfeld im Bestand der Museen Augsburg, Deutscher Kunstverlag Berlin 2010, 144 S., broschiert, 24,90 €.
Von Roland H. Wiegenstein
Was haben ein Augsburger Barockmaler namens Johann Heinrich Schönfeld (1609-1684) und der in München und Berlin nachweisbare „Secessionist“ Josef Block (1863-1943) miteinander zu tun? Auf den ersten Blick gar nichts, auf den zweiten schon. Beide gehörten zu jenen Malern der zweiten Reihe, die kaum noch oder zu wenig bekannt sind, beide stammten aus wohlhabenden Familien, die ihnen Zugang zu den tonangebenden Kreisen ermöglichten, und sie hatten Zeit, sich in Italien umzusehen: Schönfeld war sechs Jahre in Rom, zwölf in Neapel, beide kannten sich aus in der Kunst ihrer Zeit und haben sich von den „Kollegen“ alles geholt, was ihnen dienen konnte, sind begabte (im Fall Schönfeld: hochbegabte) Anverwandler von bereits Vorfindlichem. Und von beiden gingen zahlreiche Werke verloren. Doch damit hören die Parallelen auch auf. Oder soll man noch eine weitere hinzufügen, die die deutsche Geschichte verursacht hat: Schönfeld, der Protestant, konnte nach dem Augsburger Religionsfrieden ohne Probleme für Katholiken Heiligenbilder malen (sogar für Fürsterzbischöfe und Jesuiten), der Jude Block erhielt vom wilhelminischen Bürgertum (und seinen Nachfahren) zahlreiche und auskömmliche Aufträge bis in die vierziger Jahre, als er im Berliner Jüdischen Krankenhaus starb. Doch waren beider Leben beschädigt von unruhigen Zeiten. (So erreichten von Schönfelds neun Kindern nur zwei das Erwachsenenalter.)
Schönfelds Werke, deren Mehrzahl im Augsburger Museum aufbewahrt werden, wo man ihn, nur ein wenig übertrieben, für den hält, dem „unter den deutschen Malern des Barock der erste Rang zukommt“ lebt in der Kunstgeschichte fort, Block muss sich mit ein paar zeitgenössischen, meist wohlwollenden Kritiken und kurzen Lexikaeinträgen begnügen. Seine wenigen erhaltenen Bilder sind verstreut, wenige in Museen, andere noch in Privatbesitz als vererbte Werke, von der Art, die reiche Bürger ins Wohnzimmer hängten.
Nebenbei: die Mode, sich Gemälde an die Wand zu hängen, ist weithin „abgesunken“: man findet ihr Nachleben eher in Dörfern und Kleinstädten, als bei den Großbürgern, die sich mit ihnen früher umgaben. Ich habe in den Häusern kleiner Gemeinden in Italien mehr (meist schreckliche) Bilder in Öl an den Wänden gesehen, als in modernen Großstadtwohnungen, wo jetzt womöglich Plakate hängen oder „Moderne“ zu finden sind. Blocks Werke, einige religiöse, die meisten Porträts und Genreszenen, passen wohl auch nicht mehr recht zu Designermöbeln. Bei jedem seiner Bilder kann man die „Herkunft“ (oder sagen wir: den Einfluss) ziemlich genau verorten: bei Block ist es zum Beispiel Max Liebermann (mit dem er befreundet war), sind es Lesser Ury, Degas, Guardi (den der alte Block für sich entdeckte) – lauter schön gemalte, „handwerklich“ perfekte Bilder eines peniblen Technikers, der sich nur zuweilen „Abweichungen“ gestattete, der aber für jedes Motiv den Stil ändern konnte: bei seinen gescheiten Doppelporträts etwa, die in aller Regel Eheleute darstellen, die sich nichts mehr zu sagen haben, dem witzigen Porträt des „verlorenen Sohns“, das er in einem Gründerzeit-Comptoir spielen lässt, oder dem eines Juniorchefs, der mit der Schneidigkeit des Reserveoffiziers einen katzbuckelnden alten Angestellten empfängt. Block muss über nicht geringe ironische Fähigkeiten verfügt haben – er hielt damit nur hinterm Berge, so wollte es die „Gesellschaft“, deren Damen er fast so schwunghaft malte wie Boldini. Ich vermute, dass Blocks Arbeiten, wären sie nicht verloren und verbrannt, heute auf Auktionen wieder gefragt wären und dass Klaus-Dieter Spangenberg, der nun einen ersten biografischen Überblick verfasst hat, recht daran tat, auf Block hinzuweisen. Dieser hat sowohl die Münchner wie die Berliner Secession mitgegründet (und beide wieder verlassen), er hat aber auch 1918 zum „Arbeiterrat für die Kunst“ gehört – für drei Jahre. Vielleicht sollte man doch einmal versuchen, eine Ausstellung Blocks zusammenzubringen, der um die Jahrhundertwende in der Galerie Gurlitt gemeinsam mit Cézanne, Van Gogh und Pissarro ausgestellt hat, „auf Augenhöhe“, wie man heute gern sagt.
Schönfelder, dem das Augsburger Museum eine Ausstellung samt gut gedrucktem, informativem Katalog gewidmet hat, war bei seinen Zeitgenossen beliebt ¬– gleich, ob er nun fromme Bilder malte, solche mit antiken Themen oder die beliebten Stillleben und Genreszenen wie etwa das hinreißende Bild „Zeichner in römischen Ruinen“, einem frühen Beispiel von plein-air-Malerei und ein Bild des gerade in Italien Angekommenen, der noch nicht so viele Vorbilder hatte wie der spätere Künstler. Sie lebten ja alle in Rom oder Neapel: die Artemisia Gentileschi, die Claude Lorrain, Nicholas Poussin und zahlreiche Niederländer. (In Nordeuropa herrschte ja Krieg, ihm zu entgehen war für viele Südlandfahrer verlockend.) Schönfelder kannte sie und nahm, was er verwenden konnte, getreu der Typenlehre der Zeit, die Poussin niedergeschrieben hat: für jedes Sujet einen diesem entsprechenden Stil. Manchmal machte er sich thematisch überraschend selbstständig: So zeigt er den Heiligen Sebastian nicht von Pfeilen durchbohrt, sondern in dem Augenblick, als er sich stolz zum Christentum bekennt. Es gibt von Schönfelder eine „Heilige Familie“ von großem Liebreiz, bei der die Manieristen kurz um die Ecke geguckt zu haben scheinen und eine tiefsinnige Darstellung der „Zeit“, die verrät, wie er bekannte Motive abzuwandeln verstand. „Vanitas“ sei der Grundzug dieses Malers gewesen, sagen die Kunstgelehrten. Der Linkshänder, der nur auf einem Auge sehen konnte, wird Grund gehabt haben, seine Kunst nicht fröhlich zu imprägnieren wie die barocken bayerischen Kirchenmaler, sondern eher düster. Die wenigen erhaltenen Bildern im Museum (und einige in Augsburger Kirchen und in der Münchner Residenz) lohnen jedenfalls den Besuch eines Künstlers, der Anregungen ingeniös aufnahm und seiner Kunst anverwandelte.