Von Carsten Hoffmann
Istanbul (BLK) - Die Anklage gegen den Kölner Autor Dogan Akhanli ist am ersten Prozesstag praktisch in sich zusammengefallen. Raub und Totschlag bei einem Überfall auf eine Istanbuler Wechselstube vor 21 Jahren sowie Unterstützung einer linksgerichteten Terrorgruppe warf die türkische Staatsanwaltschaft dem Schriftsteller vor. Doch Zeugen, darunter auch Angehörige des Opfers, entlasteten Akhanli nach Ansicht seiner Anwälte. Dafür erhoben sie am Mittwoch (8.12.) schwere Vorwürfe gegen Einheiten der türkischen Polizei, die auf belastende Aussagen gegen den Angeklagten gedrängt oder diese noch im Jahr 1992 unter Folter erpresst haben sollen.
Das Gericht ordnete nach mehrstündiger Verhandlung die Entlassung Akhanlis aus der Untersuchungshaft an. Dem Antrag der Verteidiger auf Freispruch wurde allerdings zunächst nicht stattgegeben. Akhanli war noch vor der Entscheidung wieder abgeführt worden. Er wurde zunächst zurück ins Gefängnis gebracht, von wo aus er nun freikommen muss. Die Anwälte gehen davon aus, dass die Fortsetzung des Prozesses im Sand verlaufen wird.
„Ich kann mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass dieser Mann nicht unter den drei Tätern war“, sagte Ünay Tutum, ein Sohn des erschossenen Wechselstubenbetreibers. Schon nach der Tat habe er auf 15 vorgelegten Fotos keinen der Täter identifiziert.
Dann wurde sein Bruder Mustafa Tutum in den Zeugenstand gerufen. Er berichtete, wie damals drei Täter die Herausgabe des Geldes gefordert hatten und der Vater ihm sagte, er solle es den Räubern geben. Dann sei es zum Tumult gekommen. Ein Mitarbeiter einer Teestube hatte auf der Straße laut „Überfall“ gerufen. Es fielen tödliche Schüsse, der Vater starb.
Mustafa Tutum bestätigte, dass er damals auf einem vorgelegten Bild einen Täter zu erkennen glaubte. Allerdings, so sagte er am Mittwoch (8.12.), sei dies nicht das in den Akten abgeheftete Bild Akhanlis gewesen, obwohl die Polizei es so vermerkt habe.
Still wurde es bei der Zeugenaussage von Hamza Topal, der nach einer Aussage 1992 als ein Hauptbelastungszeuge gegen Akhanli angeführt worden war. Er schilderte, wie ihn eine Antiterror-Einheit mit Schüssen einschüchterte und ihn dann fast totgeschlagen habe. Dann habe er Akhanli belastet, „weil er in Deutschland war und ihm ja nichts passieren konnte“, sagte er. „Sie haben zu viel Druck auf mich ausgeübt.“
Die zahlreich angereisten Unterstützer des 1991 nach Deutschland geflüchteten Autors, die von einem politisch motivierten Verfahren sprechen, brachen bei der Entscheidung über die Freilassung in Jubel aus. „Nur die große Öffentlichkeit für den Fall hat das erreicht“, sagte der Schriftsteller Günter Wallraff.