Von Susanna Gilbert-Sättele
KÖLN (BLK) - Ihr Martyrium hat für Schlagzeilen gesorgt: Aylin Korkmaz, die 2007 von ihrem kurdischen Ex-Mann mit 26 Messerstichen in Gesicht und Körper lebensgefährlich verletzt worden war, hat ein Buch über das Trauma ihres Lebens geschrieben. Anders als der reißerische Titel „Ich schrie um mein Leben“ vermuten lässt, will sie kein Mitleid erheischen, sondern die Aufmerksamkeit auf die unzähligen Frauen in aller Welt lenken, denen aufgrund überkommener Moralvorstellungen Gewalt angetan wird.
Nach einer Untersuchung der Vereinten Nationen geschehen jährlich etwa 5000 Ehrenmorde in der Welt. Die Dunkelziffer soll demnach bei bis zu 100.000 Ehrenmorden pro Jahr liegen. So hat sich die 1972 im türkischen Adana geborene Aylin Korkmaz dazu entschlossen, ein Buch zu veröffentlichen, um Frauen in ähnlicher Lage Mut zuzusprechen, sich zu wehren. „Viele wissen über ihre Rechte nicht Bescheid“, stellt sie fest. „Es gibt Hilfsorganisationen und Vereine, die mir geholfen haben. Ich habe von ihnen erst erfahren, nachdem mein Exmann mich niedergestochen hatte. Als es für mich zu spät war.“
Der Mordanschlag auf die dreifache Mutter geschah in der Nähe von Baden-Baden. Die heute 37-Jährige machte gerade eine Pause von ihrer Arbeit in einer Tankstelle, als ihr Ex-Mann den Raum betrat, die Tür hinter sich schloss und sofort mit einem Springmesser auf sie losging. Dies wird ebenso schonungslos geschildert wie die von Gewalt überschatteten Jahre der Ehe. Gleichwohl ist der Verfasserin bewusst, dass es kein Einzelschicksal ist. Immer noch sei der Begriff der Schande in den Köpfen so stark verankert, „dass wir Unrecht aus Scham nicht zur Sprache bringen“. Vor allem Musliminnen seien noch stark von überholten Moralvorstellungen geprägt.
Sie zitiert Statistiken, nach denen jede dritte Frau in ihrem Leben einmal vergewaltigt, geschlagen oder auf eine andere Art und Weise misshandelt wird. Das Buch ist aber auch ein Appell an alle, das Leid unter dem Deckmantel von Moral und Tradition nicht zu ignorieren. Man dürfe nicht gleichgültig sein gegen Schreie aus der Nachbarschaft. So habe ihr ein deutsches Jugendamt den „27. Stich“ versetzt, als es darauf bestand, die Einwilligung ihres geschiedenen Mannes und Peinigers einzuholen, damit die Kinder aus dem Heim wieder zu ihr kommen durften. Der Täter wurde wegen versuchten Mordes zu 13 Jahren Haft verurteilt.
Literaturangabe:
KORKMAZ, AYLIN: Ich schrie um mein Leben, Fackelträger Verlag, Köln 2010, 256 S., 19,95 €
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