KUNZE, SVEN: Altern wie ein Gentleman – Zwischen Müßiggang und Engagement. C. Bertelsmann Verlag, München 2011. 256 S., 19,99 €.
Von Claudine Borries
Kenntnisreich und witzig beginnt Sven Kunze seine Abhandlung über das Alter. Er beruft sich beispielsweise auf Adorno, Simone de Beauvoir und Samuel Becketts „Endspiel“, um an ein Thema heranzuführen, vor dem man sich in jungen Jahren scheut, um, je näher man dem Alter kommt, schließlich geradezu wegzuschauen. Dabei unterscheidet der Autor genau zwischen dem „Voralter“, das etwa bis Ende siebzig anhalten mag, um danach endgültig beim Greisenalter anzukommen. In der Tat hat mir eine Dame von 90 Jahren anvertraut, man habe ihr in jungen Jahren das Alter als „Hölle“ beschrieben. Nun, da sie selber in diesem hohen Alter sei, müsse sie dem uneingeschränkt zustimmen.
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Sven Kunze redet nicht lange um den heißen Brei herum, um teils sarkastisch bis resignierend zu gestehen, dass es im Rentenalter zwar schöne Momente geben mag; dass diese aber keineswegs die Zeit der schwungvollen Jugend und dem aktiven Handeln früherer Zeiten entsprechen können. Um sich ein rechtes Bild zu machen, wie es zum Ende hin bei uns aussieht, hat er sich vorübergehend zum „Probewohnen“ in einem Heim für betreutes Wohnen eingemietet.
Bezug nehmend auf den Zusammenhang zwischen Arbeit, Müßiggang und Sinnsuche, wie man ihn bei den alten Philosophen nachlesen kann, schwanken die Betrachtungen von Sven Kunze über Vergangenheit und Zukunft in eine Gegenwart, die keine Zukunft mehr kennt. „Zeit“ als Phänomen der Vergänglichkeit nimmt breiten Raum ein. Der Autor kommt nicht umhin, die zahlreichen Formen immer rasanter verlaufender Aktivitäten vom Töpfern bis zum Reisen und dem Golfspielen aufzuzeigen, mit denen man den Müßiggang umspielt, um der möglicherweise doch nicht so glücklichen Gegenwart zu entrinnen. Lust und Wohlleben bis zum Überdruss können dem unweigerlich sich nahenden Ende auf Dauer leider doch nicht standhalten.
Die Abhandlungen Sven Kunzes sind geistvoll und zeugen von breitem Bildungsgut, mit dem er treffend und schlüssig unser Augenmerk auf all jene Einschränkungen richtet, die neben den angenehmen Seiten des Müßiggangs als gegeben hinzunehmen sind: Es sind dieses die Kränkungen und Defizite, die das Altwerden in jeglicher Hinsicht begleiten.
Seine Anhandlungen sind realistisch und konkret und mit zahlreichen Zitaten aus Altersforschung, Philosophie und Soziologie belegt: Von der Einsamkeit bis zur Geschäftigkeit legt er den Finger auf die „Wunde“ Alter. Gelegentlich ist er mir zu wenig bereit, auch Utopien bezüglich des Alters zuzulassen, die doch alleine das Leben mit Hoffnung erfüllen. Doch sind auch diese nur bis zum Ende des „Voralters“ denkbar.
Sven Kunzes Fazit ist, dass unser unvermeidliches Ende unsere Vorstellungen sprengt. Es gibt gewissermaßen einen dialektischen Sprung, mit dem das „Da-Sein“ und das „Tot-Sein“ für keinen von uns wirklich begreifbar ist. Als Hoffnung bleibt uns nur, dass der letzte Weg in Würde gegangen wird.
Das Buch ist fundiert und klug, weil es eine breite Palette aller Perspektiven des Alterns aufzeigt.
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