Von Nada Weigelt
BERLIN/MÜNCHEN (BLK) - Klaus-Dieter Lehmann steuert das kulturelle Flaggschiff der Bundesrepublik im Ausland. Als Präsident des Goethe-Instituts ist der weltläufige Schlesier seit zwei Jahren dafür verantwortlich, deutsche Sprache, Kunst und Kultur international bekannt zu machen. Bei seiner Berufung 2008 nannte ihn der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) den „ersten globalen Kulturmanager Deutschlands“.
Jetzt wird Lehmann 70. Aber wann eigentlich? Als Schaltjahrkind hat er wieder mal keinen „richtigen“ Geburtstag. Die Zentrale des Goethe-Instituts in München feiert das Jubiläum deshalb am Montag, den 1. März. „Der 29. Februar ist so ein besonderes Datum, dass jeder sich den Tag merkt. Das fand ich immer schön“, sagt Lehmann in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin, wo er wegen des Hauptstadtbüros immer noch seinen ersten Wohnsitz hat.
Nach schwierigen Zeiten des Umbruchs und Sparens sieht der Nachfolger der renommierten Präsidentin Jutta Limbach „das Goethe“ wieder in ruhigem Fahrwasser. „Die Strukturreform hat eine stabile Basis für die Zukunft geschaffen und Raum für Innovationen eröffnet“, sagt er. Der weitere Ausbau des Auslandsnetzes, eine Sprachoffensive mit weltweit bis zu 1300 Schulen und eine stärkere Vernetzung mit den europäischen Nachbarn stehen im Mittelpunkt der Arbeit.
Dass Lehmann auch mit 70 das Ehrenamt immer noch als aufreibenden Vollzeitjob betreibt, liegt an seinem Naturell. „Ich bin viel zu aktiv, um im Sessel zu sitzen. Die Pensionsgrenze von 65 ist ein Relikt der Reichsversicherungsordnung aus dem 19. Jahrhundert“, sagt er und lässt sich mit seinem optimistischen Lächeln kein bisschen
Müdigkeit anmerken. Sein Leben war immer wieder ein Neuanfang, und dennoch konnte er stets an das Alte anknüpfen.
Obwohl von Kind an eine Leseratte, studiert der gebürtige Breslauer zunächst Physik und Mathematik. Am Max-Planck-Institut in Mainz gehört er 1969 zu den ersten deutschen Wissenschaftlern, die die Mondproben der Apollo-Mission untersuchen - er hatte ein Gerät gebaut, das kleinste Spurenelemente messen konnte.
Wenige Jahre später sattelt er auf Bibliothekswissenschaft um, führt als Direktor der Universitätsbibliothek Frankfurt erstmalig Online-Kataloge ein und zeichnet nach der Wiedervereinigung für den Aufbau der Deutschen Nationalbibliothek mit ihren fast 25 Millionen Titeln an den Standorten Frankfurt/Main, Leipzig und Berlin
verantwortlich.
1998 folgt sein „Traumjob“ als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, auch wenn der Weg an die Spitze der größten deutschen Kulturinstitution mit ihren 16 Museen beinahe am Hickhack zwischen Bund und Ländern scheitert. „Ich habe den großen Vorteil, dass ich ein unabhängiger Mensch bin“, sagt der parteilose Kulturmanager. „Ich habe mich nie zu einem Spielball der Politik gemacht.“
Der milliardenschwere Auf- und Ausbau der Berliner Museumsinsel wird in den kommenden zehn Jahren seine größte Herausforderung – und sein größter Erfolg: Das zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Ensemble ist längst eine der größten Besucherattraktionen Berlins. Daneben zeigt Lehmann auch auf dem heiklen Parkett der Beutekunst immer wieder Fingerspitzengefühl. Als er mit 68 schließlich in Pension gehen muss, bietet sich das Amt an der Spitze des Goethe-Instituts geradezu an - schon seit 2002 war er Limbachs Vize.
Dass er immer wieder neue Herausforderungen sucht, führt der Kulturmanager auch auf seine Kindheit zurück. 1940 in Breslau geboren, brachte der Großvater, ein Lokführer, ihn am Ende des Krieges zusammen mit seiner Mutter und Großmutter im letzten Zug von Breslau nach Nordbayern. Der Großvater starb kurz darauf bei einem Angriff auf den Zug, der Junge wuchs in der Obhut der beiden Frauen
auf.
Erst 1950 kam der Vater aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. „Das war eine schwierige Situation. Er kehrte in eine Familie zurück, die eigentlich funktionierte, in der jeder seinen Platz hatte“, sagt Lehmann. „Aber das hat meine Eigenständigkeit stark befördert. Ich war halt derjenige, der sich durchkämpfen musste.“
Die Kraft dafür hat ihm immer auch die Beziehung zu anderen Menschen gegeben. Mit seiner Frau Lisa ist der zweifache Vater und doppelte Großvater seit fast 45 Jahren zusammen, auf der ganzen Welt hat er durch die Beziehung zu den Kulturinstitutionen auch viele persönliche Freunde, sagt er. „Ich bin jemand, der - toi toi toi -vom Schicksal bisher gut behandelt worden ist.“
Weblink: Goehte-Institut