BERLIN (BLK) – In dem Wirtschaftsbuch „Markt und Wettbewerb über alles?“ von Rolf Stürner sei die Balance zwischen Gefühl und Substanz verloren gegangen, schreibt die „FAZ“. Die „SZ“ bespricht die Streitschrift „Gott, Aids, Afrika“ des Priesters Stefan Hippler, der sich in dieser gegen die Meinung des Vatikans stelle. Außerdem in der Presseschau: Stéphane Audeguy, Umberto Eco und Peter Utz.
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“
Eine intellektuelle Zusammensetzung aus politisch gegenwärtigen Fragen habe der Jurist Rolf Stürner in seinem neuen Wirtschaftsbuch „Markt und Wettbewerb über alles?“ erstellt, schreibt die „FAZ“. Anstelle von Antworten oder dem Nachweisen der Thesen sei das Buch jedoch an erster Stelle durch konservative Wut geprägt, die aktuellen Begebenheiten anklagt, meint der Rezensent. Somit sei die Balance zwischen Gefühl und Substanz verloren gegangen.
Zwei Bücher über die Bedeutung von Übersetzungen stellt die „FAZ“ in einer Rezension vor. Zum einen präsentiert sie das Buch von Peter Utz „Anders gesagt – autrement dit – in other words“, in dem der Autor die Meinung vertrete, dass jede Übersetzung des Originals ein Zugewinn sei. Da das Übersetzen einen Bedeutungsspielraum zwischen Ausgangs- und Zieltext schaffe, könne der Übersetzter durch mikrologische, geduldige Arbeit sowie durch minutiöse Analysen dem Original einen hermeneutischen Gewinn abverlangen und eine Optimierung erreichen, schreibt die „FAZ“ über die These Utz’. Umberto Eco hingegen plädiere in seinem Buch „Quasi dasselbe mit anderen Worten“ dafür, korrekte, treue und angemessene Übersetzungen zu erarbeiten. „Bereicherungen des Textes durch Übersetzungen sind zu vermeiden“, schreibe Eco in seiner Gegenthese und verteidige damit seine Forderung nach einem pragmatischen Kompromiss, meint die „FAZ“. Durch die beiden Bücher werde der imaginäre Dialog zwischen Mimesis des Wirklichen und Mimesis von Texten deutlich, in dessen Zentrum der Prozess der Kultur stehe, schreibt der Rezensent.
Mit „Gedanken und Fragmente“ habe Charles Joseph Fürst de Ligne (1735-1814) ein schriftstellerisches Werk von außergewöhnlichem Ausmaß kreiert, lobt die „FAZ“. Trotz der Fülle von 25 Bänden, die de Ligne noch selbst zusammenstellte, sei es gelungen, die Texte durch eine dichte und strenge Prosa in moralischer Tradition gekonnt zusammenzuhalten. Die kurzen geistreichen Betrachtungen seien genauso themenvielseitig wie das Leben des Schriftstellers, meint der Rezensent.
Infolge der Aktion des SchoolJam Musik-Media Verlages, Schülern von der fünften Klasse an aufzurufen, eigene Songtexte zu schreiben, wurden nun die 100 besten Texte in einem Buch zusammengestellt, schreibt die „FAZ“. Auffällig seien der bemerkenswert pessimistische Grundton sowie die düsteren Sozialreporte, die für die Gesellschaft nicht schmeichelhaft ausfallen würden, meint der Rezensent. Trotzdem oder gerade deshalb wäre es zu wünschen, dass aus den sozialkritischen Texten eines Tages Musik werden würde.
Aus dem Roman „Das Leben des Francois Rousseau, von ihm selbst erzählt“ hätte der Autor Stéphane Audeguy mehr machen können, findet die „FAZ“. Begründet auf den nervtötenden Angewohnheiten Jean-Jacques Rousseaus sei Audeguy die Idee gekommen, ihm den bekennend mittelmäßigen, geistreichen und lebensfrohen Bruder Francois Rousseau entgegen zu setzen. Aus der Sicht eines Greises erzähle dieser sein Leben mit Jean-Jacques noch einmal. Vieles sei bei dem Roman nach dem „Forrest-Gump-Prinzip“ erarbeitet worden und habe sich durch die Fabulierlust Audeguys zu einem lauwarmen Selbstläufer entwickelt, kritisiert der Rezensent.
„Süddeutsche Zeitung“
Thomas Kramer und Hilar Stadler haben nun eine Sammlung der Fotografien des Ballonpioniers Eduard Spelterini (1852-1931) herausgegeben, schreibt die „SZ“. Der Schriftsteller Alex Capus habe Spelterinis Biographie für diesen Band neu recherchiert. Er rücke dabei einige Legenden über den Ballonpionier zurecht, ohne ihm jedoch den „Zauber des umfassenden Luftikus“ zu nehmen. Eduard Spelterini hätte im Jahre 1898 von der Walliser Kantonshauptstadt Sion aus als erster Mensch die Alpen in Richtung Nordwesten überflogen, informiert die „SZ“. Besonders beeindruckend seien die großformatigen Fotographien Spelterinis, die seine Flüge dokumentierten.
„Der Insulanische Mandorell“(1682) des Barockdichters Eberhard Werner Happel (1647-1690), ist nun von Stefanie Stockhorst textkritisch bearbeitet und neu herausgegeben worden. Happels Seefahrergeschichten würden hauptsächlich im Südpazifik und im Indischen Ozean spielen und sich bestens auf die Reiseberichte der Zeit stützen, kommentiert die „SZ“. Bemerkenswert sei der 40-seitige Exkurs der Romantheorie, den der Schriftsteller einer seiner Figuren in den Mund lege. Dieser stelle die erste Übersetzung der Romantheorie „Traité de l’origine des romans“ des Franzosen Pierre-Daniel de Huets (1630-1721) dar. Das Original lässt sich im Anhang nachlesen, informiert der Rezensent.
Stefan Hippler und Bartholomäus Grill haben mit „Gott, Aids, Afrika“ eine Streitschrift zur Aidsfrage in Afrika verfasst. Autor Hippler sei sowohl Priester in Kapstadt als auch Gründer der Aids-Hilfsorganisation Hope Cape Town. In dem Buch werde das Kondomverbot des Vatikans, welcher angesichts der verheerenden Zustände trotzdem an diesem festhalte, angeprangert. Das Buch sei ehrlich und persönlich, lobt die „SZ“. Zudem mache es mit dem „ungewöhnlichen Priester“ Hippler bekannt, der sich Tugenden bewahrt habe, die der offiziellen Kirche kaum zuzutrauen wären.
Eine „aufregend unterkühlte Studie“ sei das Buch „Gazprom – das Geschäft mit der Macht“ von Waleri Panjuschkin und Michail Sygar, kommentiert die „SZ“. Die beiden Autoren seien tief ins „Labyrinth der Pipelines und Firmenbeteiligungen“ des größten Gasunternehmens der Welt eingedrungen. Panjuschkin und Sygar würden weniger letzte Urteile als kluge Fragen liefern. Dennoch merke man dem Buch an, dass es schnell geschrieben wurde. Ein Lektor hätte das „Dickicht der Namen und Orte“ ein wenig ordnen können, meint die Rezensentin. Allerdings würden die abstrusen Details der „Gazprom-Story“ diesen Mangel wettmachen. (rei/wag/wip)
Literaturangaben:
AUDEGUY, STÉPHANE: Das Leben des Francois Rousseau, von ihm selbst erzählt. Aus dem Französischen von Elsbeth Ranke. SchirmerGraf Verlag, München 2007. 304 S., 19,80 €.
DELLMANN, GERALD (Hrsg.): Auf den letzten 100 Metern wird gerannt. Die 100 besten Songtexte, verfasst von Jugendlichen in Deutschland. Freude, Frust, Liebe, Ängste und Hoffnung. Voggenreiter-Verlag, Bonn 2007. 314 S., 12,95 €.
ECO, UMBERTO: Quasi dasselbe in anderen Worten. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. Hanser Verlag, München 2007. 460 S., 27,90 €.
FÜRST DE LIGNE, CHARLES JOSEPH: Gedanken und Fragmente. Herausgegeben und übersetzt von Michael Rumpf. Manutius Verlag, Heidelberg 2007. 112 S., 19,89 €.
HAPPEL, EBERHARD WERNER: Der Insulanische Mandorell (1682). Im Anhang „Traité de l’origine des romans“ von Pierre-Daniel de Huet. Herausgegeben mit einem Nachwort von Stefanie Stockhorst. Weidler Verlag, Berlin 2007. 675 S., 70 €.
HIPPLER, STEFAN/GRILL,BARTHOLOMÄUS: Gott, Aids, Afrika. Eine Streitschrift. Vorwort von Henning Mankell. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2007. 192 S., 17,90 €.
KRAMER, THOMAS / STADLER HILAR (Hrsg.): Eduard Spelterini. Fotografien des Ballonpioniers. Mit Beiträgen von Alex Capus, Hubertus von Amelunzen, Stephan Wottreng und Henri Wydler. Verlag Scheidegger & Spies, Zürich 2007. 148 S., 65 €.
STÜRNER, ROLF: Markt und Wettbewerb über alles? C.H. Beck Verlag, München 2007. 491 S., 29 €.
PANJUSCHKIN, WALERI / SYGAR, MICHAIL: Gazprom – das Geschäft mit der Macht. Deutsch von Helmut Ettinger. Droemer Verlag, München 2008. 304 S., 16,50 €.
UTZ, PETER: Anders gesagt – autrement dit – in other words. Übersetzt gelesen: Hoffmann, Fontane, Kafka, Musil. Hanser Verlag, München 2007. 336 S., 19,90 €.
Presseschau vom 11. Januar 2008
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