BERLIN (BLK) - Für die Erforschung der deutschen Sprache beginnt ein neues Zeitalter: Im Jahr 2012 wird die Neubearbeitung des wegweisenden „Deutschen Wörterbuchs“ (DWB) der Brüder Grimm eingestellt, die Arbeit an einem neuen Nachschlagewerk ist im Internet bereits im Gange. Seit 170 Jahren zeichnen die 33 Bände die Sprachgeschichte von zwölf Jahrhunderten nach – die Aktualisierung des Lexikons über den Buchstaben F, bis zu sich die Grimms vorgearbeitet hatten, wird nicht fortgesetzt.
„Bereits 1959 wurde festgelegt, dass nur die Artikel überarbeitet werden, die die Grimm-Brüder bereits selber verfasst haben. Es entsprach nie der Absicht des Projektes, das Grimmsche Wörterbuch komplett zu überarbeiten“, sagte der Direktor der Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Wolf-Hagen Krauth, am Donnerstag.
Fortgeführt werden soll die Wörterbuch-Arbeit der Berliner Akademie im Internet in einem „Digitalen Wörterbuch“, an dem die Forschungsstätte seit 2007 arbeitet. „Wir machen das nicht von A bis Z, sondern nach sprachlichen Phänomenbereichen“, sagte Projektleiter Alexander Geyken. Der Trend bei Nachschlagewerken geht seit längerem zur Datenbank im Internet – wie auch beim Brockhaus.
„Vorteil des Digitalen Wörterbuchs ist, dass man sich nicht alphabetisch vorarbeiten muss, sondern die Wortartikel zu allen Buchstaben ständig bearbeiten und vertiefen kann. Auch können Informationen aufgenommen werden, die nur schlecht zu erfassen waren, beispielsweise die Aussprache“, sagte Krauth. Dies schließt aber nicht aus, dass nach 2012 Printversionen des Wörterbuchs erscheinen.
Das DWB gilt als das umfangreichste Wörterbuch der deutschen Sprache. „Das Grimmsche Wörterbuch ist eine kaum zu übertreffende Leistung. Im Geiste der Brüder Grimm wird ihr Werk bereits im „Digitalen Wörterbuch“ der Berliner Akademie der Wissenschaften fortgesetzt, das die klassische philologische Arbeit mit neuester Technologie verbindet.“
Auf mehr als 67.000 Druckspalten enthält es in 33 Bänden rund 350.000 Stichwörter, knapp doppelt soviel wie das achtbändige Duden-Wörterbuch mit 175.000 Einträgen. Mit mehr als 25.000 Quellen belegt das DWB die Sprachgeschichte – vom Althochdeutschen des 8. Jahrhunderts bis in das 20. Jahrhundert.
Dem Wörterbuch der Märchensammler Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) war in den 1830er Jahren ein politischer Skandal vorausgegangen: Als Mitglieder der „Göttinger sieben“ hatten die Grimm-Brüder gegen einen Verfassungsbruch des Königs von Hannover protestiert und waren daraufhin von ihren Professorenämtern entlassen worden. Im Geist der Romantik und der Bestrebungen nach nationaler Einheit suchten die Grimms mit dem Mammutwerk eine gemeinsame Grundlage für den in Dutzenden von Kleinstaaten zersplitterten deutschen Sprachraum. So gingen sie auch sehr zögerlich mit der Aufnahme von Fremdworten um.
Jacob Grimm starb, als das Wörterbuch bis zum Wort „Frucht“ vorgedrungen war. 1957 fiel der Beschluss, das Buch fortzuschreiben, 1960 wurde das Werk von rund 120 Mitarbeitern beendet. Das Grimmsche Wörterbuch war auch Vorbild für andere Lexika, etwa das niederländische „Woordenboek der Nederlandsche Taal“ oder das „Oxford English Dictionary“, die zum Teil noch bis in die Gegenwart fortgeschrieben werden. (ber/rud)
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