Von Matthias Petry
SALZBURG (BLK) - Mit einem herzlichen Schalom (Frieden) begrüßte der israelischen Schriftsteller David Grossman (56) sein Publikum zu einer Lesung im Salzburger Literaturhaus. Frieden war für ihn gleichzeitig das Stichwort des Tages: Wenige Stunden zuvor war ihm am Donnerstag (10.6.) der Friedenspreis des deutschen Buchhandels zuerkannt worden. „Meine erste Reaktion war natürlich Freude, auch Stolz. Es ist ein sehr wichtiger Preis, er bedeutet mir sehr viel“, sagte Grossman. Er sehe den Preis als Anerkennung und Unterstützung, nicht nur für sich und seine Meinungen, die in Israel oft nicht die populärsten seien. Er sei auch eine Unterstützung für alle Gleichgesinnten, die immer noch an Frieden im Nahen Osten glaubten.
Frieden im Nahen Osten wurde zum Hauptthema des Abends. Grossman, der selbst einen Sohn im Libanon-Krieg verlor, unterstrich seine Forderungen nach mehr gegenseitigem Verständnis und Sachlichkeit. „Es gibt hier keine einfache Lösung. Beachten Sie die Nuancen, fühlen Sie sich in beide Seiten ein“, bat er das Publikum. „Das ist kein Fußballspiel, bei dem man ein Team liebt und das andere hasst.“
Im Zusammenhang mit dem israelischen Angriff auf Schiffe mit Hilfslieferungen für Gaza forderte er Israel auf, die Blockade aufzuheben. Nichts rechtfertige die kollektive Bestrafung von 1,5 Millionen Palästinensern. „Ich habe den Angriff von Anfang an für einen Fehler gehalten. Jetzt wird es sehr schwer, den Schaden zu minimieren.“ Bei dem Angriff der israelischen Marine auf die sogenannte Solidaritätsflotte am 31. Mai wurden vor der Küste des Gazastreifens mindestens neun Menschen getötet.
Grossman betonte, Hoffnung für die Lage könne es nur geben, wenn sich die Lebenssituation der Palästinenser verbessere und ihnen ein Leben in Würde ermöglicht werde. Wichtig sei Normalität, „wo sie ihre Kinder morgens in die Schule schicken und wissen, dass sie abends wieder nach Hause kommen. Das haben sie noch nie wirklich gehabt.“
Auch in Grossmans neuem Buch „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“ geht es um Alltag und Normalität in der Kriegssituation in und um Israel: „Ich wollte zeigen, wie die beiden Ebenen verknüpft sind, wie die allgemeine Situation bis in die intimsten Sphären einer Familie eindringt.“ Wesentlich ist die Sprache, nicht nur die Sprachgewalt des Romans, sondern auch Sprache im Krieg. Nette, neutrale Wörter in öffentlichen Verlautbarungen verschleierten die Realität. Er selbst habe als Radiosprecher solche Phrasen benutzt, bis er begriffen habe, dass er andere Wörter finden müsse. Plötzlich fühlte er sich nicht mehr manipuliert, sondern konnte handeln. „Plötzlich war ich kein Opfer mehr. Wissen Sie, wie großartig sich das für einen Israeli anfühlt?“, sagte Grossman.
Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wurde dem 56-jährigen Schriftsteller für seinen aktiven Einsatz zur Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern zuerkannt, wie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Donnerstag in Berlin mitteilte. Der mit 25.000 Euro dotierte Friedenspreis wird am 10. Oktober zum Ende der Buchmesse in Frankfurt/Main überreicht.
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