Von Thomas Maier
FRANKFURT/MAIN (BLK) - Für Anne Franks Cousin ist das weltberühmte Tagebuch des jüdischen Mädchens „zum Wichtigsten“ in seinem Leben geworden. „Ich habe Anne nicht gekannt, bevor ich das Tagebuch gelesen habe“, sagt Buddy Elias bei einer Vorstellung eines Buches über die Geschichte der Familie Anne Franks. So sei aus der einstigen „Spielkameradin“ im Tagebuch auf einmal eine große „Schriftstellerin“ geworden. Darüber staunt der 84-jährige Schauspieler - der letzte noch lebende enge Verwandte Anne Franks und einer der Protagonisten des Buches - bis heute.
Unter dem Titel „Grüße und Küsse an alle“ hat die Schriftstellerin Mirjam Pressler eine literarisch aufbereitete Familiengeschichte der Franks vorgelegt, die am Donnerstagabend (22.10.) in Frankfurt vorgestellt wurde. Grundlage des Buchs sind rund 6.000 Briefe und Dokumente, die Buddy Elias' Frau Gerti, ebenfalls Schauspielerin, vor wenigen Jahren auf dem Dachboden ihres Hauses in Basel entdeckte. Zu dem sensationellen Fund gehörte etwa ein Brief, denn Anne Frank als Neunjährige an ihre Großmutter schrieb.
Im Alter von fünf Jahren hatte Anne 1934 zusammen mit ihren Eltern und ihrer Schwester die Heimatstadt Frankfurt unter dem Eindruck des wachsenden Nazi-Terrors verlassen. Später beschrieb sie die Zeit im Amsterdamer Hinterhof-Versteck bis zum Verrat 1944 in ihrem Tagebuch. Anne Frank stirbt im März 1945 - wenige Wochen vor der Befreiung durch die Alliierten - im Alter von 15 Jahren im KZ Bergen-Belsen an Typhus. Ihr Cousin war mit seinen Eltern bereits vor 1933 von Frankfurt nach Basel gezogen und überlebte dort den Holocaust. Er wurde nach dem Krieg als Eiskunstläufer - er tourte mit „Holiday on Ice“ durch die ganze Welt - und später als Schauspieler sehr bekannt.
„Anne war auch kein Wunderkind, wie viele Leute denken“, sagt Elias. Sie sei „ein ganz normales lustiges, intelligentes Mädchen“ gewesen, mit dem er in der Kindheit die Liebe fürs Schlittschuhfahren geteilt habe. Ihr Vater Otto Frank, der als einziger der Familie die Konzentrationslager überlebte und nach dem Krieg dann das Tagebuch herausbrachte, habe sein Schicksal nie verkraftet.
Buddy Elias erzählt, wie Otto Frank nach seiner Rückkehr 1945 noch wochenlang am Bahnhof Rückkehrer aus den Lagern nach dem Verbleib seiner Töchter fragte, bis er dann beide Namen auf einer Todesliste des Roten Kreuzes entdeckte. Die Mutter starb in Auschwitz schon im Januar 1945 an Entkräftung.
All dies beschreibt Pressler in ihrem Buch sehr einfühlsam und lebendig. Die 69-Jährige hat nicht nur als Kinderbuchautorin zahlreiche Preise erhalten. Sie ist auch die deutsche Übersetzerin von Anne Franks Tagebuch und hat eine Biografie über sie verfasst.
Am eindrucksvollsten im Buch sind die Briefe, in denen sich die über ganz Europa verstreute Familie ausgetauscht hat - sehr liebevoll und mit viel Humor. Manchmal wurden Briefe auch in Gedichtform verschickt. Die Großfamilie Frank habe „ungeheuerlich“ zusammengehalten, sagt Pressler.
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