GSELLA, THOMAS: „Reiner Schönheit Glanz und Licht - Ihre Stadt! im Schmähgedicht“, Eichborn Verlag, 128 S., 9,95 €.
Von Gregor Tholl
Welches Kaff, welche Metropole ist am schlimmsten? Das „Stadt-Gespräch“, die Kommunikation über Kommunen, ist eines der ergiebigsten Plauder-Themen. Der Autor Thomas Gsella (53), früher Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“, liefert jetzt brillanten Stoff dafür. Seine bösen Gedichte über Städte sind hervorragend. Was als Kolumne bei „Spiegel Online“ begann, gibt es jetzt auch als Buch: „Reiner Schönheit Glanz und Licht - Ihre Stadt! im Schmähgedicht“.
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Über Deutschlands Hauptstadt dichtet Gsella: „Sie können nichts und wissen nichts/Und sind zu dumm zum Siezen/Sie hoffen nichts und missen nichts/Und schimmeln in den Kiezen.“ Außerdem: „Zu blöd zum Brötchenholen/Wer Hauptstadt der Versager sagt/Der meint Berlin (bei Polen)“. Was er gegen Berlin habe? „Ich sorge mich um das Leben seiner Nachbarn“, sagt Gsella. „Solange die Hauptstadt Bonn hieß, blieb das Land friedlich, aber gleich nach ihrem Umzug fing die Regierung wieder mit dem Kriegführen an. Es muss also an Berlin liegen.“ Zwar geht es auch um 24 ausländische Metropolen, von Amsterdam bis Zürich, doch vor allem behandeln Gsellas Gedichte 87 deutsche Städte. „Seit Hitlers Krieg und der Zerstörung des Landes gelten deutsche Städte zu Recht als hässlich“, sagt Gsella und verweist auf Alexander Mitscherlichs Buch „Die Unwirtlichkeit der Städte“ oder Robert Gernhardts Vers „Dich will ich loben, Hässliches/Du hast so was Verlässliches“. Gsella meint: „Es tut ja immer weh, aus Frankreich oder Italien wieder nach Deutschland zu kommen.“
Von Aachen bis Zwickau - Gsella arbeitet sich an allen ab. Zu Baden-Baden schreibt er: „Hier rät man Kindern fortzuziehn/Hier feiert sich die Reife/Mit echtem Geld und Hermelin/Die Pudel tragen Schleife“. Und zu Frankfurt am Main fällt ihm Folgendes ein: „Wo pflegt die Macht mit gutem Geld/Die guten alten Sitten?/Wo saugt der Abschaum erster Welt/Das Leben aus der dritten?“ Auch Kassel kassiert fiese Verse: „Im Winter darben Mensch und Schwein/Mit Pommes und Polenta/Im Sommer fallen Spinner ein/Und machen documenta.“
Auch die oft gescholtene Landeshauptstadt von Niedersachsen bekommt ihr Fett weg: „Das erste Wort heißt katastroph/Gesteigert: katastropher/Am katastrophsten und saudoph/Ist demgemäß Hannover.“
Auf die Frage nach den Lieblingsgedichten unter den eigenen nennt Gsella „Offenbach“ und „Bayreuth“: „Beide beschimpfen aus dem vollen, das erste extrem haltlos, das andere extrem gehaltvoll.“ Bei Offenbach tragen „Arschgesichter“ Tüten und beschäftigen sich damit, neue Kinder zu „brüten“. Bei Bayreuth dagegen geht es natürlich um die Wagner-Festspiele und deren Besucher: „Klunkerkuh“ und „Aktiensack“ und das „Polit- und Medienpack“.
Die Wohnorte in seinem eigenen Lebenslauf nennt Gsella „die drei schönsten der Welt“: Essen, Frankfurt, Aschaffenburg. In der Ruhrgebietsstadt kam er zur Welt, in der Mainmetropole arbeitete er lange, in der unterfränkischen Stadt wohnt er heute. Ob er eine Traumstadt habe? Sicher, sagt er: „Den Hochwald auf Gomera.“
Weblink: Eichborn Verlag