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Günter Wallraff: Akhanli nach Freilassung nicht versöhnt

Interview

© Die Berliner Literaturkritik, 31.12.10

Von Yuriko Wahl

KÖLN (BLK) - Der türkischstämmige Kölner Autor Dogan Akhanli ist trotz der „Riesenerleichterung“ über seine Freilassung aus türkischer Untersuchungshaft nicht versöhnt. Das schilderte sein Freund und Kollege Günter Wallraff, der mit einigen Mitstreitern eine Solidaritätskampagne nach Akhanlis Festnahme im August gestartet hatte. „Was die Justiz mit ihm gemacht hat, war klare Freiheitsberaubung“, meint Wallraff und fügt hinzu: „Er trauert noch immer, dass die Justiz ihm unmöglich gemacht hat, seinen Vater noch lebend sehen. Er ist nicht versöhnt.“

Der 1957 in der Türkei geborene, später zwangsausgebürgerte Schriftsteller wollte Abschied von seinem schwer kranken Vater nehmen, war aber am Istanbuler Flughafen festgenommen worden. Angeblich war Akhanli 1989 an einem Banküberfall beteiligt, bei dem es auch ein Todesopfer gab. Am 8. Dezember begann ein Verfahren gegen ihn. „Das war ein Schauprozess. Es ging um ein Rachebedürfnis“, kritisierte Wallraff, der die Verhandlung in Istanbul beobachtet hatte. Akhanli sei manchen Kreisen politisch unbequem, auch weil er den Völkermord an den Armeniern als einer der ersten in einem Roman angeprangert habe. „Dogan Akhanli ist aber nicht der einzige drastische Fall.“

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Wallraff: „Allein von 40 Journalisten ist bekannt, dass sie wegen ihrer Meinungsäußerungen zum Teil seit Jahren in türkischen Gefängnissen sitzen.“ Immer wieder statuiere die Justiz Exempel. „Die Türkei, die ja in die EU will, muss jetzt unter Beweis stellen, ob sie es ernst meint mit einer Justizreform oder ob weiter Willkürurteile gefällt werden sollen“, forderte Wallraff, der selbst Autor ist und mit dem Buch „Ganz Unten“ bekannt wurde.

Der Prozess wegen Raubes und Totschlags gehe zwar im März weiter. „Aber natürlich wird Dogan Akhanli zu keiner weiteren Verhandlung erscheinen, um dieser Farce durch seine Anwesenheit nicht noch den Schein der Legalität zu verleihen.“ Er habe nach der Freilassung in seinem Heimatdorf Angehörige und das Grab des Vaters besucht. „Am 5. Januar wird er zurück in Köln sein.“

Wallraff sagte, für das „willkürliche und unrechtmäßige“ Verhalten gegenüber Akhanli gebe es keinerlei Rechtfertigung, dennoch strebe Akhanli kein Schadenersatzverfahren an. „Er möchte durch seine Arbeit dazu beitragen, dass sich das Land, mit dem ihn eine Hass-Liebe verbindet, verändert.“ So auch mit seinem neuen Buch „Fasil“, in dem es um widerstreitende Kräfte in der türkischen Gesellschaft gehe. „Er hat aber auch seine eigenen Folter-Erfahrungen literarisch verarbeitet und verfremdet wiedergegeben.“ Akhanli wolle in Deutschland nicht gefeiert werden, sondern hoffe auf die gleiche Aufmerksamkeit auch für andere aus politischen Gründen Inhaftierte.





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