Von Sophie Werner
Berlin (BLK) – „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh’ ich wieder aus“ – der Beginn einer ziellosen Reise, die von schwankenden Gefühlszuständen und immer größer werdender Hoffnungslosigkeit durch die kalte und raue Winterzeit geprägt ist. Präsentiert wurde jedoch nicht nur hervorragende Gesangskunst und ebenso gutes Klavierspiel, auch auf darstellerischer Ebene wurde einiges geboten.
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Das Stadtbad Steglitz präsentierte am Donnerstag (17.2.) in der alten Wäscherei den Liederzyklus „Die Winterreise“ von Franz Schubert (1797-1828). Die aus 24 Liedern bestehende Reise wurde mit dem ausdrucksstarken Gesang von Folke Paulsen und der Hingabe des Pianisten Gottfried Eberle verkörpert. Die beiden Akteure erzählten von einem in der Liebe enttäuschten Mann und dessen zielloser Reise durch eine erstarrte Winterlandschaft. Die anfängliche Distanz des Hörers zu dem Reisenden mündete schrittweise in einem immer stärker einnehmenden Mitgefühl.
Sowohl der Gesang und die musikalische Begleitung, als auch die raffinierte szenische Umsetzung in der Leitung von dem Regisseur Stefan Neugebauer verliehen dem Konzert eine mitreißende Atmosphäre. Moderne Feinheiten, wie zum Beispiel aufsteigende grüne Luftballons, vereinzelt grünes Lichtspiel und ein an die Wand geworfenes Dia des „Liebchens“ erweiterten die künstlerischen Facetten. Die beiden Akteure interagierten miteinander und mit ihrer Umgebung, wobei auf sprachliche Kommunikationsformen wie Monolog und Dialog verzichtet wurde. Die Abfolge des Liederzyklus’ wird lediglich durch einige ergänzende, quasi pantomimische Darbietungen bereichert. Die Sprache ist somit auf die Texte Wilhelm Müllers (1794-1827) begrenzt.
Der Lyriker Wilhelm Müller verfasste im Laufe seiner Schaffenszeit viele „lyrische Kompositionen“, die auch heute noch begeistern und im gleichen Moment auch das Innerste der Seele ergreifen. Hierzu zählen zum Beispiel „Das Wandern ist des Müllers Lust“, „Ich hörte ein Bächlein rauschen“, „Am Brunnen vor dem Tore“. Beliebte Wanderlieder Müllers wurden dank der Vertonung durch Franz Schubert allgemein bekannt. Schubert fand in der Lyrik Müllers die Texte, die er in seinen beiden bedeutsamen Liederzyklen, „Die Schöne Müllerin“ und „Winterreise“, verwendete.
Die unveränderten Texte Müllers und die Vertonung Schuberts, kombiniert mit einer modernen szenischen Umsetzung ist dem Regisseur Stefan Neugebauer gut gelungen. Moderne und Romantik verschmelzen zu einer neuen Gestalt. Dabei bleibt es hauptsächlich eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob die teils humorvollen szenischen Einschübe die Stimmung des Werks unterstützen oder sie vielleicht eher ablenken und nicht zur ernsten Stimmung passen.