BERLIN (BLK) -- Kunsthistoriker aufgepasst. Einer der wichtigsten Texte der Kunstwissenschaft überhaupt erscheint nun neu übersetzt und kommentiert im Wagenbach Verlag. Die ersten drei Bände geben den Auftakt zu einer umfassenden Serie, so die „FAZ“. Sportbegeisterte können sich außerdem auf eine Darstellung der Sportgeschichte von den Anfängen bis zum achtzehnten Jahrhundert freuen. Etwas höhere Ansprüche stellen die in der „SZ“ besprochenen Arbeiten über den Philosophen Schelling und über Nietzsches Verhältnis zur Aufklärung an den Leser. Es fehlt aber auch nicht an kritischen Arbeiten zu aktuellen Krisenregionen. Ein Bildband und eine Sammlung von Beiträgen des israelischen Historikers Moshe Zimmermann setzen sich mit Tschetschenien und Israel auseinander.
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“
Endlich liege der wohl wichtigste Text der Kunstliteratur - Giorgio Vasaris Viten, die Biographien der bedeutendsten Künstler der italienischen frühen Neuzeit - in einer aktuellen Übersetzung vor, freut sich die „FAZ“. Die Neuübersetzung und -kommentierung begünstige die dringend notwendige Weiterbearbeitung dieser Quelle, die als der „Gründungstextes der Kunstgeschichte“ schlechthin gelten könne. Die ersten drei nun erschienen Bände - die Biographien Pontormos, Raffaels und Parmigianinos - würden ergänzt durch einem Einführungsband, der die Vorreden Vasaris zu seinem Werk erstmals in deutscher Übersetzung enthalte. Sie bildeten nur den ersten Teil einer umfangreichen Serie, die dazu geeignet sei, so hofft der Rezensent, das Interesse eines größeren Publikums an der italienischen Kunstgeschichte zu wecken. Unschwer jedoch sei die epochale Geste dieses ehrgeizigen und verdienstreichen Projektes erkennbar.
Keine hohen Sprünge und neuen Rekorde sollte man von Michael Krügers Sportgeschichte erwarten, befindet die „FAZ“. Der Professor für Sportwissenschaft an der Universität Münster verstehe seine Arbeit in erster Linie als eine Einführung in die Geschichte der Leibeserziehung. Der erste Band seiner dreibändigen Darstellung eigne sich gleichermaßen für Studenten, Lehrer und sportlich Ambitionierte, auch wenn der Autor sich darauf beschränke, bekanntes Fachwissen zusammenzustellen und leserlich aufzubereiten. Was allerdings Fotografien und Berichte des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts in einer Darstellung über die Geschichte des Sports von den Anfängen bis zum achtzehnten Jahrhunderts verloren hätten, bleibe dem Leser genauso verborgen, wie dem Rezensenten selbst.
„Süddeutsche Zeitung“
Die „SZ“ von heute beschäftigt sich mit der Schelling Biographie von Xavier Tielliette. Dieser sehe Schellings „große Stunde“ erst noch kommen und ergreife Partei für Schelling im Zusammenhang mit dem modernen philosophischen Interesse an Natur, Existenz und metaphysischer Unbehaustheit. Tielliettes Biographie mache es dem Leser nicht leicht, da eine gewisse Vertrautheit mit idealistischen Argumentationsfiguren vorausgesetzt werde.
Die Reihe „Nietzscheforschung“ habe einen Tagungsband herausgebracht, der sich mit Nietzsches Verhältnis zur Aufklärung beschäftige, informiert die „SZ“. Allerdings würden die Beiträge durch keinen präzisen Problemaufriss strukturiert, so dass es zu Überschneidungen von Fragestellungen und Problemlagen komme. Auch werde nicht klar unterschieden zwischen der historischen Epoche der Aufklärung und Nietzsches Aneignung und Verwendung des Begriffs selbst.
Mit Stanley Greenes Photographien aus Tschetschenien befasst sich die „SZ“. Greene ergreife Partei für die Tschetschenen, die seit 300 Jahren gegen Russland aufbegehren würden. Mit seinen grobkörnigen und oftmals unscharfen Photos schaffe er keine Ikonen des Leidens. Vielmehr plädiere Greene mit „Open Wound“, das auch Berichte enthalte, für „einen Krisenjournalismus, der sich nicht im Krisenzapping erschöpft“.
„Freitag“
Ludwig Watzal rezensiert für die Wochenzeitung „Freitag“ die gesammelten Kommentare des israelischen Historikers Moshe Zimmermann, die unter dem Titel „Goliaths Falle“ beim Aufbau Verlag erschienen sind. Die Beiträge Zimmermanns seien zwischen 1997 und 2004 geschrieben worden, hätten aber nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Watzal zeigt sich erleichtert, dass Zimmermann nicht die Haltung von „Linkszionisten“ an den Tag lege, und stimmt der Zimmermann unterstellten Ansicht überein, dass zwischen Israel und den Palästinensern lauter „Missverständnisse“ walten würden. Als befreiend vom „politisch-korrekten Klima Deutschlands“ empfindet Watzal zudem das Fazit Zimmermanns, Israel sei „vom bewunderten David zum grausamen Goliath mutiert“. Das nämlich wolle „man“ in Deutschland „partout nicht wahrhaben“.
(kat/art/iri)
Zur Belletristik-Presseschau von heute:
Zu den Presseschauen vom Donnerstag:
Literaturangaben:
GREENE, STANLEY: Open Wound. Chechnya 1994-2003. Mit einem Vorwort von Andre Glucksmann. London 2003. 232 S., 59,95 €.
KRÜGER, MICHAEL: Einführung in die Geschichte der Leibeserziehung und des Sports. Band 1: Von den Anfängen bis ins achtzehnte Jahrhundert. Verlag Karl Hofmann, Schorndorf 2004. 248 S., 29,80 €.
RESCHKE, RENATE (Hg.): Nietzsche Radikalaufklärer oder radikaler Gegenaufklärer? Nietzscheforschung. Ein Jahrbuch, Sonderband 2. Akademie Verlag, Berlin 2004. 376 S., 74,80 €.
TILLIETTE, XAVIER: Schelling. Biographie. Aus dem Französischen von Susanne Schaper. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2004. 595 S., 29,90 €.
VASARI, GIORGIO: Das Leben des Jacopo Pontormo. Hg. von Alessandro Nova, übersetzt und bearbeitet von Katja Brutzer. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2004. 144 S., 11,90 €.
VASARI, GIORGIO: Das Leben des Parmigianino. Hg. von Alessandro Nova, übersetzt von Matteo Burioni und Katja Brutzer. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2004. 90 S., 10,90 €.
VASARI, GIORGIO: Das Leben des Raffael. Hg. von Alessandro Nova, übersetzt von Hanna Gründler und Victoria Lorini. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2004. 204 S., 12,90 €.
VASARI, GIORGIO: Kunstgeschichte und Kunsttheorie. Eine Einführung in die Lebensbeschreibungen berühmter Künstler. Hg. von Alessandro Nova, übersetzt von Victoria Lorini. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2004. 288 S., 13,90 €.
ZIMMERMANN, MOSHE: Goliaths Falle. Israelis und Palästinenser im Würgegriff. Aufbau Taschenbuch, Berlin 2004, 192 S., 8,50 €.