ÜBERLINGEN (BLK) - Der Schriftsteller Martin Walser hat Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wegen der Afghanistan-Politik scharf kritisiert. „Die gemeinste Enttäuschung ist Herr zu Guttenberg. Ich habe gedacht, der macht das nicht mit. Aber bis jetzt liefert er nur eine neue Variante der gehabten unschönen Melodie“, sagte der 82-Jährige in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa am Dienstag in Überlingen am Bodensee anlässlich des Erscheinens seiner neuen Novelle „Mein Jenseits“ (10. Februar). Guttenbergs Beschreibung der Lage in Afghanistan als „kriegsähnliche Zuständ“ sei nichts anderes als „Wörtertänze“. Bedauernd fügte er hinzu: „Ich hatte ihn für unseren fränkischen Obama gehalten.“
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) griff der Autor wegen der Afghanistan-Strategie an. „Ich halte sie (die Kanzlerin) in allem, was ich über sie außenpolitisch erfahre, für unselbstständig. Da lässt sie nicht ihre eigene Intelligenz entscheiden, sondern da horcht sie auf andere Leute“, bemängelte Walser. „Ich weiß, dass Deutschland nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts zu keinem Krieg mehr bereit sein darf, ganz egal, was Verpflichtungen gegenüber der NATO beinhalten“, betonte er. „Das muss bei jedem Vertrag unser gleichbleibendes Bewusstsein sein - nach zwei Weltkriegen!“
Die politische Klasse sei offenbar unfähig, etwas dazuzulernen, meinte Walser. Er erinnerte an die Kriege in Vietnam und im Irak. Nach dem Vietnam-Krieg mit zwei Millionen Toten habe es geheißen: „Das war ein entsetzlicher Irrtum.“ In Afghanistan habe die Sowjetunion zwölf Jahre lang geblutet. „Der damalige amerikanische Sicherheitsberater hat gesagt: Wir haben die Russen in die afghanische Falle gelockt. Und jetzt sind wir selber drin. Das ist einfach nicht begreifbar.“ Er sei sicher, „dass in Afghanistan nichts anderes herauskommt als eine Katastrophe“.
Das Gespräch führte Gisela Mackensen